Inhalt anspringen

Deutscher Volkshochschul-Verband

Volkshochschule und AfD

Seit 2014 ist die Alternative für Deutschland (AfD) vielerorts in Kommunalparlamenten vertreten – dort, wo auch über kommunale Bildungsplanung und über die Rolle und Ausrichtung der Volkshochschulen entschieden wird. Hier ein Interview mit dem Rechtsextremismusforscher Prof. Dr. Benno Hafeneger.

Darüber, wie die AfD das politische Klima vor Ort verändert, sprach DVV-Pressesprecherin Simone Kaucher mit Professor Dr. Benno Hafeneger. Der emeritierte Rechtsextremismusforscher hat mit seinem Team im April 2018 die bundesweit erste empirische Studie zur Arbeit der AfD in Kommunalparlamenten vorgelegt.

Welches Bild gibt die AfD auf kommunaler Ebene ab?

Prof. Dr. Benno Hafeneger: Manche AfD-Fraktion ist sehr fleißig und auch kompetent, denn bisweilen sind dort frühere CDU- oder vereinzelt auch ehemalige SPD-Mitglieder aktiv, die auch kommunalpolitische Erfahrung mitbringen. Zum Teil sind es sogar ehemalige Amts- oder Mandatsträger etablierter Parteien. Ein Teil der Abgeordneten kommt aus dem rechten Lager, beispielsweise von den Republikanern. Manche Fraktionen bestehen überwiegend aus Unbekannten. In anderen Parlamenten etabliert sich eine Art Arbeitsteilung zwischen denen, die Kärrnerarbeit im Hintergrund machen und denen, die nach außen hin provokant in Erscheinung treten. Manche Fraktionen versuchen, die komplette kommunalpolitische Themenpalette zu besetzen; andere sind eher faul und haben nur ein Thema.

Man kann davon ausgehen, dass die AfD sukzessive lernt, mit Politik umzugehen. Schon jetzt gibt es Fraktionen, die kommunale Haushalte akribisch durchgehen und insbesondere Ausgaben für Integration, Flüchtlinge, Frauenförderung oder Inklusion kritisieren. Da zeigt sich eine Zukunftsstrategie: Die AfD wendet sich gegen emanzipatorische Politik. Stattdessen fordert sie Mittel für eher traditionell ausgerichtete Aktivitäten. Man muss sich bewusst machen: Die AfD wird ihre parlamentarische Präsenz dazu nutzen, um die politische Kultur zu verändern und politische Handlungsfelder zu verschieben. Schon jetzt wendet sie sich vielerorts gegen emanzipatorische Kräfte und gegen eine Förderung beispielsweise von Jugendarbeit freier Träger oder von Selbstorganisationen verschiedener Minderheiten.

Tritt die AfD kommunal ähnlich provokant auf wie auf Bundesebene?

Es gibt AfD-Fraktionen, die sind sehr parlamentsorientiert, treten seriös auf und wollen koalitionsfähig erscheinen – ganz anders als die Rabaukenfraktionen, die es auch gibt. Dieses Rabaukentum, das verbal die eigene Klientel bedient, finden wir vor allem auf Landes- und Bundesebene, wo sich die AfD zum Teil noch im Findungsprozess befindet. In den Kommunalparlamenten dominiert eher die lokale Sachpolitik. Dort sehen wir weniger Provokation als vielmehr Anpassung an die formalen parlamentarischen Gepflogenheiten. Viele versuchen, konkrete Kommunalpolitik zu machen, allerdings immer auch mit einem starken nationalistischen Fokus. Oft gerieren sich AfDler als Kümmerer gegenüber dem unteren Drittel der Gesellschaft. Das verfängt im Osten besonders gut, wo die Auflösung öffentlicher Infrastruktur und die Abkopplung ganzer Regionen ein viel dramatischeres Ausmaß haben als im Westen. Das Wutbürgertum ist dort viel stärker als im Westen und fühlt sich von der AfD repräsentiert.

Wie reagieren die anderen Ratsfraktionen auf die AfD?

Wir haben festgestellt: Da, wo AfD-Parlamentarier professionell auftreten oder sogar persönlich schon aus anderen Kontexten bekannt sind, begegnet man ihnen weniger reserviert. Im Rahmen unserer Untersuchung haben wir 25 Parlamentarier interviewt. Es zeigt sich, dass mit den AfD-Parlamentariern distanziert umgegangen wird. Hier sind die anderen Parteien noch im Lernprozess und der Umgang bewegt sich zwischen Distanz, inhaltlicher Auseinandersetzung und Grenzenmarkierung; aber auch Gelassenheit ist ein erkennbares Merkmal.

Was kommt da auf die Volkshochschulen zu?

Der Bildungsbereich wird zunehmend ein Handlungsfeld der AfD-Politik. Noch ist es eher vereinzelt, dass die Volkshochschulen ins Blickfeld der AfD geraten, aber das wird kommen. Denn die vhs ist eine Institution, die eine Integrationsleistung vollbringt. Das bringt sie mit den zentralen AfD-Themen Flucht, Asyl und Migration in Berührung. Die AfD wird nach Kosten, Schwerpunkten und Ausgewogenheit der vhs-Programme fragen.

Auch im Zusammenhang mit Erinnerungspolitik könnte die vhs in den Fokus geraten. Die AfD will einen Perspektivenwechsel bewirken, weg von der – so die AfD – „Schuldkultur“. Sie wird sich auch dagegen wenden, wenn vhs Rechtsextremismus thematisiert. Sie wird hinterfragen, welche Themen gesetzt und welche Referenten eingeladen werden. Es ist davon auszugehen, dass die Zuschüsse für politische Bildung an Volkshochschulen in Frage gestellt werden. Ähnliches beobachten wir schon jetzt im Bereich der Jugendhilfe. Im Zuge dessen wird auch das Personal in diesem Programmbereich zunehmend als linksextrem diffamiert. Themen von Veranstaltungen werden in der Öffentlichkeit skandalisiert. Solche Fälle werden bundesweit zunehmen und damit auch medial an Präsenz gewinnen, denn im Zuge wachsender Vernetzung und Professionalität werden bestimmte Vorgehensweisen, die in einer Kommune den gewünschten Effekt erzielt haben, auch andernorts kopiert.

Wenn es stimmt, dass die AfD auf eine Veränderung der politischen Kultur abzielt, so lässt sich das vor allem über Bildung befördern. Der Bildungsbereich wird daher zunehmend ein Handlungsfeld der AfD-Politik werden. Derzeit beobachten wir das nur punktuell. Schon jetzt wendet sich die AfD auf kommunaler Ebene gegen Jugendzentren als Orte alternativer Soziokultur. Das steht auch den Volkshochschulen bevor, denn auch sie sind Orte, an denen sich die politische Kultur in der Gesellschaft widerspiegelt.

Wie sollen Politik und Zivilgesellschaft mit der AfD umgehen?

Wir werden auf Dauer Sechs-Parteien-Parlamente haben. Die Antwort darauf kann nur sein: Auseinandersetzung Ja, Ignorieren Nein. Auch der Ruf nach einem Verbot ist keine aufklärerische Politik. Schon jetzt lässt sich allerdings beobachten, wie demokratische Parteien unter dem Druck von AfD und der von ihr erzeugten öffentlichen Stimmung einlenken und die in der Kritik stehenden Kräfte oder Einrichtungen zur Mäßigung anhalten. Wenn demokratische Parteien einknicken, ist das eine problematische politische Entwicklung. Man kann mit der AfD aber auch nicht so umgehen, wie man all die Jahre zuvor mit rechten bzw. rechtsextremen Kräften umgegangen ist, nämlich, sie einfach auszugrenzen und sie zu ignorieren, denn das schwächt die AfD nicht.

Der Umgang sollte folgenden Grundsätzen folgen:

  • Wir sollten bewusst, gezielt und klug in die Auseinandersetzung gehen – als selbstbewusste Demokraten, in dem Wissen, dass wir die besseren Argumente haben. Für diese Auseinandersetzung müssen wir uns qualifizieren. Es geht weniger darum, unser Gegenüber zu überzeugen, sondern darum, öffentlich Position zu beziehen.
  • Da, wo AfDler rassistische oder antisemitische Positionen vertreten, sollten wir uns klar und deutlich abgrenzen; scharfen Auseinandersetzungen sollte nicht aus dem Weg gegangen werden. Mitunter kommt es auch darauf an, verhohlenen Rassismus und Antisemitismus zu entschlüsseln und kenntlich zu machen.
  • Wir sollten auf unserer Agenda bestehen und unsere Themen setzen, statt uns Themen von der AfD aufzwingen zu lassen.
  • Wir sollten Souveränität zeigen und nicht jede AfD-Äußerung kommentieren. Wir sollten darauf achten, dass wir AfD-Vertreter nicht zu vermeintlichen Opfern machen, denn wir beobachten, dass in einigen Kommunalparlamenten die AfD die politische Isolierung gut durchhält und in der Außendarstellung daraus sogar Stärke gewinnt.

Für Organisationen stellt sich die Frage, wie sie das eigene Personal strategisch qualifizieren. Es geht nicht allein um den Umgang mit rassistischen Äußerungen. Die gab es immer schon. Neu ist, dass diese Positionen jetzt politisch an Einfluss gewonnen haben und parlamentarisch stärker repräsentiert sind. Organisationen müssen sich darauf verständigen, wo die Grenzen des Akzeptablen liegen, auch, damit die Kursleitenden nicht hilflos sind.

Wie sollten Kommunen und Volkshochschulen reagieren, wenn die AfD ihre Räume für öffentliche Veranstaltungen beansprucht?

Wir wollen einerseits die politische Kultur der AfD nicht in öffentlichen Räumen haben. Andererseits handelt es sich bei der AfD um eine demokratisch legitimierte Partei im Spannungsfeld von nationalliberalem, rechtspopulistischem und völkischem Gedankengut. Wenn sie parlamentarisch vertreten ist, stehen ihr öffentliche Räume zu. Ich sage, damit muss man souverän umgehen. Man kann solche Veranstaltungen kommentieren, aber man kann der AfD nicht die Räume verweigern. Das ließe sich auch juristisch nicht durchhalten. Wir müssen zunächst einmal anerkennen, dass es mit der AfD eine neue Akteurin auf der politischen Bühne gibt. Man muss sie behandeln wie andere demokratisch legitimierte Akteure, aber man kann dagegen demonstrieren. Wir brauchen da eine kluge Gegenöffentlichkeit.

Es wäre eine Strategie für Volkshochschulen, ihre Räume generell nicht für Veranstaltungen von Parteien oder politische Organisationen zur Verfügung zu stellen, um die Regie in der politischen Bildung nicht aus der Hand zu geben. Dazu muss eine Kommune bereit sein, entsprechende Regeln zu vereinbaren und auf die Mieteinnahmen zu verzichten. Das wäre die richtige Strategie, denn sonst riskiert man fatale Konflikte zwischen Teilnehmergruppen.

Kann ein Rauswurf das richtige Mittel im Umgang mit rechtsextremen Äußerungen von Kursteilnehmer*innen sein?

Das wäre immer das letzte Mittel. Man braucht ein abgestuftes Reaktionsmodell. Die Frage des angemessenen Umgangs, beispielsweise mit rassistischen Äußerungen, ist eine spannende pädagogische Frage. Wichtig ist eine Satzung, die die Einhaltung demokratischer Grundsätze zur Bedingung macht und antidemokratische Äußerungen ächtet. Rassismus, Sexismus und Antisemitismus sind aber gleichzeitig Teil der Alltagskultur, und wir sehen, dass sie sich in größerem Ausmaß verbreiten und auch in pädagogischen Veranstaltungen geäußert werden. Entscheidend ist deshalb, zivilgesellschaftliche Einrichtungen und Organisationen und deren Personal für den klugen Umgang mit solchen Äußerungen zu qualifizieren. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist unbedingt zu achten, aber man darf rassistische Agitation nicht dulden, denn an diesem Punkt werden Grenzen überschritten. Das Bestehen auf dem Hausrecht und Teilnahmeverbote sind immer auch ein Weg, um andere Teilnehmer*innen zu schützen und auf einer demokratischen Bildungskultur zu bestehen. |


Das Interview führte Simone Kaucher, Pressesprecherin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes.

Über Professor Dr. Benno Hafeneger

Professor Dr. Benno Hafeneger, Jahrgang 1948, ist emeritierter Professor für Erziehungswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg. Seine Forschung und zahlreichen Publikationen konzentrieren sich auf die Themen Außerschulische Jugendbildung und Rechtsextremismus. 1994 veröffentlichte er eine empirische Untersuchung der „extremen Rechten“ in den hessischen Kommunalparlamenten. 1997 nahm er unter dem Titel „Sozialstruktur der extremen Rechten“ die Mandatsträger der Republikaner und der NPD in Hessens Kommunen in den Blick. Mehrfach hat er auch rechte Jugendkultur untersucht.

Die Studie

"AfD in Parlamenten – Themen. Strategien. Akteure"
Das Buch von Benno Hafeneger, Hannah Jestädt, Lisa-Marie Klose, Philine Lewek – erschienen im April 2018 im Wochenschau Verlag, Frankfurt a.M. – ist das Ergebnis einer empirischen Studie über die Arbeit der AfD in den Kommunalparlamenten von Hessen und Niedersachsen und im Landtag von Rheinland-Pfalz.

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Prof. Dr. Benno Hafeneger
  • Wochenschau Verlag