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Deutscher Volkshochschul-Verband

Volkshochschule befördert Zusammenhalt vor Ort

„Gerade in heutiger Zeit braucht es die Stärkung von Gemeinwohl und Zusammenhalt, braucht die Gesellschaft ‚sozialen Kitt‘. Volkshochschulen sind ein wichtiger Teil davon.“ Ein Gastbeitrag von Markus Lewe, Oberbürgermeister der Stadt Münster und Präsident des Deutschen Städtetages.

Von Markus Lewe

Zahlreiche Volkshochschulen in Deutschland feiern in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Dies ist ein Anlass zum Feiern, mehr aber noch für einen Blick auf Gegenwart und Zukunft. Das Jubiläum fällt in eine Zeit großer Umbrüche und Herausforderungen: Die nahezu alle Lebensbereiche erfassende Globalisierung, die Digitalisierung mit vielfältigen Chancen aber auch Risiken oder die Migration, um nur einige der wichtigsten zu nennen. Viele Menschen fühlen sich verunsichert, manche sogar abgehängt. Populisten und Extremisten unterschiedlicher Provenienz versuchen, mit scheinbar einfachen Lösungen und Parolen, Stimmung gegen unsere Demokratie und ihre Institutionen zu machen. Der bisherige Konsens zu den Werten einer freien und demokratischen Welt wird zunehmend infrage gestellt. Daher sind alle gesellschaftlichen Bereiche und Politikfelder aufgerufen, für die Stärkung von Toleranz und demokratischen Werten einzutreten.

Den politischen Diskurs gestalten

Dies alles spielt sich in unseren Städten und Gemeinden und damit im unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen ab. In dieser Situation ist es wichtig, den Menschen Orientierung zu geben und soziale Verbundenheit zu stärken. Die deutschen Städte treten für Stadtgesellschaften ein, die von Offenheit, Toleranz, gelebter Demokratie und kultureller Vielfalt geprägt sind. In diesem Kontext kommt den Volkshochschulen als wichtigen kommunalen Weiterbildungseinrichtungen, aber auch als Orten der Begegnung, der Kommunikation und des Diskurses eine große Bedeutung zu. Die Volkshochschulen können wirksam dazu beitragen, Aufklärungsarbeit gegen Rassismus und Diskriminierung zu leisten, die Demokratie zu fördern und den politischen Diskurs vor Ort mitzugestalten.

Nah bei den Menschen

Die Volkshochschulen sind seit jeher Garant für qualitätsvolle und bedarfsgerechte Bildung und Weiterbildung vor Ort. Sie sind flächendeckend in Deutschland verbreitet – tief verwurzelt in Städten und Gemeinden, im ländlichen wie im städtischen Raum – und damit nah bei den Menschen. Die Bürgerinnen und Bürger können ohne weitere Voraussetzungen Kurse und Lehrgänge der Volkshochschulen in den unterschiedlichsten Fachbereichen besuchen. Dabei ist es auch möglich, beruflich verwertbare Abschlüsse und Zertifikate zu erwerben. Volkshochschulen bieten qualifizierte Beratung an und verfügen über ein ausgefeiltes System sozial gestaffelter Gebühren. Volkshochschulen leisten somit einen entscheidenden Beitrag dazu, das Recht auf Bildung unabhängig vom sozialen Status zu gewährleisten. Sie sind unverzichtbarer Teil kommunaler Daseinsvorsorge und zugleich aber auch ein eigenständiges Handlungsinstrument der Städte, um gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen. Dafür einige Beispiele:

Ganzheitliche Bildungsangebote für gelingende Integration

Eine der größten Herausforderungen von Staat und Gesellschaft ist die Integration von zugewanderten Menschen. Seit dem Zuwanderungsgesetz von 2005 ist Deutschland dabei, sich faktisch als Einwanderungsland zu definieren. Deutschland wird für EU- und Nicht-EU-Bürger immer attraktiver und hat in den vergangenen zwei Jahren europaweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Nach deren „Erstversorgung“ geht es um die rasche Klärung des Aufenthaltsstatus‘ und die Integration vor allem der Menschen mit Bleibeperspektive. Um sie nun erfolgreich gesellschaftlich und beruflich zu integrieren, sind ganzheitliche Bildungsangebote erforderlich. Ausreichende Sprachkenntnisse sind das A und O gelingender Integration. Sprachförderung sollte aber mit der Vermittlung grundlegender gesellschaftlicher Werte und Normen sowie von Kenntnissen über das Wirtschafts-, Gesellschafts- und Bildungssystem verknüpft werden. Zusätzlich sollten berufsbezogene Tätigkeiten und Praktika auf den Arbeitsmarkt vorbereiten und Sprachkurse mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen verknüpft werden. Bildung in der Einwanderungsgesellschaft ist somit eine komplexe Aufgabe.

Die Volkshochschulen sind dabei ein unverzichtbarer Partner. Sie helfen Integrationskonzepte vor Ort umzusetzen. Sie sind aktiv bei der Sprachförderung von Migranten. Fast 50 Prozent aller Integrationskurse werden von Volkshochschulen durchgeführt. Das flächendeckende Netz von rund 900 Volkshochschulen erweist sich in der gegenwärtigen Situation als äußerst hilfreich, Sprachförderung und Bildung überall zu vermitteln. Die Kommunen können dabei auf die Professionalität der Volkshochschulen und deren langjährige Erfahrungen in der Arbeit mit Menschen verschiedener Herkunft zurückgreifen. Für dieses Engagement kann man den deutschen Volkshochschulen nur ausdrücklich danken.

Der digitalen Spaltung entgegenwirken

Eine weitere Herausforderung ist die Digitalisierung, die alle Lebensbereiche durchdringt und die Bildung nicht ausnimmt. Medienkompetenz wird zur „vierten Kulturtechnik“. Das Bildungssystem ist deshalb gefordert, Chancen der Digitalisierung für das Lehren und Lernen zu nutzen. Für die Weiterbildung bedeutet dies, Medienkompetenz in einem umfassenden Sinne zu vermitteln. Diese geht weit über die technische Beherrschung von Geräten hinaus, sondern muss auch den verantwortungsvollen Umgang mit modernen Medien und die kritische Bewertung von Informationen mit umfassen. Der letzte Volkshochschultag 2016 hat mit dem Titel „Digitale Teilhabe für alle“ ein wesentliches Anliegen thematisiert, nämlich Bildungschancen und gleichberechtigte Zugänge für alle sicherzustellen, unabhängig von sozialer Herkunft und Einkommen. Diesem Ziel allgemeiner Partizipation in der Weiterbildung fühlen sich die Volkshochschulen seit jeher verpflichtet. Von daher sind sie geradezu prädestiniert, neue Lernangebote und -formen zu entwickeln und so der befürchteten „digitalen Spaltung“ entgegenzuwirken.

Bedeutung, weit über Bildung hinaus

Diese wenigen Beispiele zeigen: Die Bedeutung der Volkshochschulen mit ihrer Offenheit für alle Menschen, niedrigschwelligem Zugang zu Bildung und ihrer demokratischen Verfasstheit in den Kommunen geht weit über die Bildung hinaus. Sie war und bleibt eine gesellschaftspolitisch relevante Einrichtung, die im besten Sinne im Gemeinwohl wirkt. Gerade heute braucht es die Stärkung von Gemeinwohl und Zusammenhalt, braucht die Gesellschaft „sozialen Kitt“. Volkshochschulen sind ein wichtiger Teil davon.

ist Oberbürgermeister der Stadt Münster und Präsident des Deutschen Städtetags.

Markus Lewe

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