Nachdem die leo.– Level-One Studie 2011 festgestellt hat, dass 7,5 Millionen deutschsprachige Erwerbsfähige nicht in der Lage sind, einfache Texte sinnverstehend zu lesen oder zu schreiben, ist von Bund und Ländern die Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung (2016 bis 2026) ausgerufen worden, um funktionalen Analphabetismus in Deutschland deutlich zu reduzieren. Der DVV ist als einer der gesellschaftlichen Partner an der Ausgestaltung der Dekade beteiligt, er ist größter Zuwendungsnehmer des BMBF in den Förderschwerpunkten zur Alphabetisierung und bemüht sich durch die Entwicklung von Konzepten und Materialien in vielschichtiger Weise um die Qualitätsentwicklung und Professionalisierung der Alphabetisierungsarbeit an den Volkshochschulen.
Korrespondierend zu den nationalen Zielsetzungen fordert die EU-Kommission unter dem Stichwort „Weiterbildungspfade“ die Mitgliedstaaten auf, die Grundkompetenzen von Erwachsenen im Lesen, Schreiben, Rechnen und ihre digitalen Kompetenzen zu verbessern und damit potentieller Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung zu begegnen.
Die Forderungen der Volkshochschulen
- Benötigt wird ein ausdifferenziertes Lernangebot der Weiterbildung zum Nachholen fehlender Grundbildungskompetenzen für unterschiedliche Zielgruppen (z.B. Erst- und Zweitsprachler Deutsch) in allen Übergängen und Bildungsphasen.
- Es bedarf der Organisationsentwicklung in der Weiterbildung. Volkshochschulen stehen vor der Herausforderung, ein umfassendes Grundbildungsangebot zu entwickeln, das auf der Alphabetisierungs- und Integrationskursen aufbaut, ein breites Repertoire an fachlicher Grundbildung vorhält und Übergänge schafft zum Nachholen von Schulabschlüssen und beruflicher Bildung. Volkshochschulen haben aufgrund ihrer programmatischen Breite eine gute Ausgangsposition, um solchermaßen „Schulen für Erwachsene“ aufzubauen.
- Verbindliche Qualitätsanforderungen und -standards müssen implementiert werden, um die Alphabetisierungs- und Grundbildungsarbeit progressions- und abschlussorientierter zu gestalten.
- Alphabetisierung und Grundbildung benötigen professionelle Lehrkräfte. Insbesondere vor dem Hintergrund nur vereinzelt bestehender akademischer Ausbildungsgänge sind Investitionen in eine qualitätsvolle und systematische Fortbildung vonnöten, wie sie die Basisqualifizierung „ProGrundbildung“ bietet. Die Durchsetzung von Qualitätsstandards in der Alphabetisierung ist unabdingbar mit Qualifikationsanforderungen an die Lehrkräfte verbunden. Sie sind die Garanten für professionellen, guten Unterricht.
- Die Förderung von Alphabetisierung und Grundbildung muss verbessert werden, wenn Erwachsene im Laufe aller Lebens- und Bildungsphasen in die Lage versetzt werden sollen, fehlende Grundkompetenzen nachträglich zu erwerben oder zu erweitern. Benötigt wird eine entsprechende Infrastruktur an Koordinierungs- und Beratungsstellen mit ausreichenden finanziellen und personellen Ressourcen sowie eine Regelförderung von Angeboten, die durch Teilnahmebeiträge allein keine Kostendeckung erlangen können.
- Ausreichende digitale Grundkompetenzen sind entscheidende Grundlagen für das Lernen, für erfolgreiche Beschäftigung und eine mündige gesellschaftliche Partizipation. Deshalb gehören digitale Lerninstrumente wie zum Beispiel die mit Förderung des BMBF entwickelten Lernportale ich-will-lernen.de und ich-.will-deutsch-lernen.de selbstverständlich auch in Alphabetisierungs-, Grundbildungs- und Integrationskurse.
- Grundkompetenzen müssen als Fundament für eine erfolgreiche Integration in Arbeit konsequent gefördert werden. Vorhandene gesetzliche Fördermöglichkeiten in Aktivierungsmaßnahmen und Grundkompetenzmaßnahmen (nach SGGB III und II) und im Rahmen des AWSTG (Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung) müssen konsequent angewendet bzw. ausgebaut werden.
- Grundbildung muss integraler Bestandteil der Bildungsplanung werden. Bundesweit müssen kommunale Grundbildungsstrategien entwickelt und angewendet werden.
- Familienorientierte Grundbildung als Ansatzpunkt für präventive Maßnahmen und für die Einbindung des mitwissenden Umfeldes ausgebaut werden.