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Deutscher Volkshochschul-Verband

„Durch Vernetzung erschließen sich neue Zielgruppen und dadurch neue Teilnehmende"

Das DVV-Transferprojekt „InSole – In Sozialräumen lernen“ schafft lebensweltorientierte Zugänge zum Lesen- und Schreiben lernen. Dabei setzt das Projekt auf die Vernetzung mit Kooperationspartner*innen. Im Rahmen des Jahresscherwerpunkts „vernetzt" haben wir dazu mit dem Projektteam der vhs Hanau gesprochen.

Im Transferprojekt „InSole – In Sozialräumen lernen“ des Deutschen Volkshochschul-Verbandes und des Paritätischen NRW wurde auf Grundlage einer Kooperation von Volkshochschulen mit Trägern der Quartiers- und Gemeinwesenarbeit erfolgreich ein Vorgehen zur Umsetzung niedrigschwelliger Lernangebote in Quartieren erprobt. Gemeinsam haben sich die Kooperationspartner*innen der Zielsetzung verschrieben, im Netzwerk der Quartiersarbeit vermehrt Erwachsene mit Lese- und Schreibschwierigkeiten zu erreichen, anzusprechen und ihnen den Zugang in Lernprozesse zur Grundbildung, insbesondere zur Erweiterung von Schriftsprachkompetenzen zu erleichtern.

Die Volkshochschule Hanau (Öffnet in einem neuen Tab) ist eine der Kooperationspartnerinnen des Projekts. Zusammen mit dem Weststadtbüro Hanau unter Trägerschaft der Evangelischen Kirchengemeinde Kesselstadt versucht die vhs Menschen mit verstärktem Grundbildungsbedarf zu erreichen. 

Wir haben mit den Projektpartner*innen aus der Brüder-Grimm-Stadt gesprochen. Unsere ersten Fragen stellten wir an die Koordinatorin des Grundsbildungszentrums der vhs Hanau, Dr. Judith Lechner. Dabei ging es vor allem - passend zum Jahresschwerpunkt der Volkshochschulen - um das Thema Vernetzung.

Dr. Judith Lechner, Koordinatorin des Grundbildungszentrums der vhs Hanau

Was sind Ihre Erfahrungen als Volkshochschule mit Vernetzung im Quartier?

Unsere Erfahrungen sind überwiegend positiv. Wir wissen schon seit längerer Zeit, dass wir mehr Menschen erreichen, vor allem Menschen mit Grundbildungsbedarf, wenn wir Angebote gestalten, die in der Nähe unserer Zielgruppe stattfinden. Einfach zu erreichen, möglichst kostenfrei und ohne Anmeldung. Wir haben festgestellt, dass die Hemmschwelle an Angeboten, die im Quartiert stattfinden, teilzunehmen, geringer ist. Der Ort ist bekannt und vertraut und der soziale Charakter eines Bildungsangebots wird dadurch verstärkt.

Wie erfolgreich die Zusammenarbeit ist, hängt im Endeffekt von der Akquise der Teilnehmenden ab und wie das Angebot angenommen wird. Es ist die Aufgabe des Quartiers vor Ort potentielle Teilnehmende anzusprechen und das Angebot zu bewerben und es ist unsere Aufgabe professionelle Dozent*innen zu finden, die das Angebot vor Ort umsetzen und die Menschen im Quartier motiviert am Ball zu bleiben.

Was sind Ihre Motive für diese Vernetzung?

Wir nehmen unseren Bildungsauftrag sehr ernst und möchten so vielen Menschen wie möglich für unsere Angebote gewinnen. Überraschenderweise recherchieren nicht alle Menschen regelmäßig im Internet oder im Programmheft nach Bildungsangeboten bei der vhs Hanau. Deshalb ist es für uns wichtig Menschen zu erreichen, die es nicht alleine schaffen, sich für einen Kurs anzumelden. Dazu brauchen wir die Unterstützung von Menschen, die vor Ort verankert sind, sich auskennen und auch die Bedarfe der im Quartier lebenden Menschen kennen. Lernen in sozialen Räumen hat sich vor allem für Grundbildungsangebote als zielführend erwiesen. Im Quartier lassen sich Angebote schaffen, die aufsuchend und niedrigschwellig sind. Interessanterweise funktionieren diese Angebote auch als Türöffner für weitere Angebote.

Ein weiterer eher pragmatischer Aspekt ist die Nutzung von bereits eingerichteten Räumlichkeiten zum Unterrichten, aber auch gut ausgestattete Räume für Kinderbetreuung, die oft bereits im Quartier vorhanden sind. Bezahlbare bzw. kostenfreie Räume um Bildungsangebote durchzuführen sind rar. Ebenso ist es eine Erleichterung für uns, wenn das Quartier bereit ist eine Kinderbetreuung durchzuführen. Dies öffnet neue Perspektiven für Mütter mit kleinen Kindern, die sonst von einer Teilnahme ausgeschlossen wären.

Welche (konkreten) Chancen liegen in der Vernetzung Ihrer Volkshochschule mit anderen Organisationen?

Generell ist ein Austausch mit anderen Organisationen inspirierend und eröffnet neue Möglichkeiten neue Angebote einzurichten, oftmals auch Angebote, von denen wir nicht wussten, dass sie benötigt werden. Es erschließen sich neue Zielgruppen und dadurch neue Teilnehmende. Auch logistisch gesehen ist eine Vernetzung interessant: Es erschließt neue Unterrichtsräume, die genutzt werden können. Durch neue Bedarfe der Netzwerkpartner*nnen können neue Formate für neue Bildungsangebote entstehen. Sowohl die Sichtbarkeit der Volkshochschule als auch das Portfolio der Volkshochschule wird auf diese Weise erweitert.

In welcher Weise wirkt sich Vernetzung auf die Programm- und Angebotsentwicklung aus?

Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Einrichtungen entstehen neue Bildungsangebote, die geplant und durchgeführt werden können. Durch diese neuen Bedarfe entwickeln sich neue Angebote. Oftmals entstehen aus einem ursprünglichen Angebot weitere Ideen. Zum Beispiel hatten wir den Fall, dass aus einem Lese- und Schreibkurs der Bedarf nach einem Kurs für Einsteiger*innen im Umgang mit dem PC entstand. Oft kommen auch Netzwerkpartner*innen mit sehr konkreten Ideen für ein neues Angebot auf uns zu. Sie wünschen sich weitere Angebote für die Bedarfe ihrer Zielgruppe und wir versuchen diesen Bedarfen gerecht zu werden.


Fragen an die Kooperationspartner*innen im Quartier

Kooperationspartner der vhs Hanau im Rahmen des DVV-Transferprojekts "InSole" ist das Weststadtbüro Hanau (Öffnet in einem neuen Tab). Undine Moebus und Isabella Richter haben uns einige Fragen zur Vernetzung mit der vhs beantwortet. 

Was sind Ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit einer vhs?

Meine Erfahrungen mit der VHS sind die besten. Die Kontaktpersonen und Referent*innen sind sehr kooperativ, offen und fachlich top.

Wir haben sehr viele Inputs für unsere Arbeit in den Kindergruppen, der Frauengruppe, dem Leseclub und allgemein in Beratungen bekommen.

Welche Bedeutung hat Weiterbildung/Grundbildung aus Ihrer Sicht im Quartier?

Weiterbildung und Grundbildung werden immer wichtiger im Quartier, weil ein sehr hoher Anteil an Familien mit Migrationsgeschichte mit vielen Kindern hier leben. Vor allem für Menschen mit Alphabetisierungsbedarf gab es lange kein Angebot. 

Es ist wichtig für uns mit professionellen Kursleitungen zu arbeiten, die Methodik und Didaktik in diesem Bereich beherrschen und auch Erfahrung mitbringen mit Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen zusammenzuarbeiten. 

Des Weiteren bekommen seit Jahren viele Kinder keinen Kindergartenplatz, vor allem im Vorschulalter. Das bedeutet, dass auch hier der Bedarf an unterstützenden Angeboten weiterwachsen wird.

Die Frauen, die teilnehmen, bekommen einen direkten Einblick in die Angebote der vhs, eine Beratung vor Ort über Weiterbildungsmöglichkeiten, z.B. dass man einen Schulabschluss machen kann. Die Hemmschwelle bei anderen Angeboten mitzumachen wurde abgebaut, sowohl Bildungsangebote bei der vhs als auch andere Angebote bei uns im Quartier. Der Horizont und das Selbstbewusstsein der Teilnehmenden hat sich erweitert und positiv verändert. Der Leseclub wurde fast zeitgleich etabliert und Teilnehmende aus InSole nehmen auch daran teil. 

Das Thema Weiterbildung im Quartier ist auch für unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen und hauptamtlichen Mitarbeiter*innen  des Weststadtbüros interessant, um neue aktuelle Inputs zu erhalten und aktuelle Materialien zu bekommen. Unsere Ehrenamtler*innen sind neugierig geworden und haben vereinzelt an Schulungsangeboten der vhs für Ehrenamtliche teilgenommen. 

Was sind Ihre Motive für eine Zusammenarbeit mit der Volkshochschule in Ihrem Quartier?

Wir arbeiten mit professionellen Mitarbeiter*innen, die einen großen Erfahrungswortschatz haben und offen für die Belange der Teilnehmer*innen aus dem Quartier sind. Für uns ist die Vernetzung wichtig, weil die Nachfrage nach einem Kurs mit Alphabetisierung sehr hoch war. Es gab früher Kurse, aber nun war es an der Zeit ein neues Angebot anzuführen.  

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Austausch zwischen der Dozentin und den Mitarbeiter*innen im Quartier. Wir sprechen darüber wie die Dozentin die Teilnehmenden erlebt und ob es weitere Bedarfe für einzelne Personen gibt, die durch andere Angebote abgedeckt werden könnten.

Diese Zusammenarbeit mit der Volkshochschule ist für uns eine Entlastung, weil wir uns auf das Angebot verlassen können und wir relativ wenig Arbeit mit diesem Angebot haben. Die Durchführung liegt in professionellen Händen. Durch die Möglichkeit ein Angebot mit Kinderbetreuung einzurichten, konnte Frauen mit Kindern die Teilnahme am Angebot ermöglichen. Wir wünschen uns auch weitere Angebote in Kooperation mit der vhs zum Beispiel ein Sprachcafe.

Was würden Sie anderen Volkshochschulen raten, wenn sich diese aktiv in die Netzwerkarbeit einbringen möchten?

Ich würde den Volkshochschulen raten, sich regelmäßig mit allen Akteur*innen zu treffen und auszutauschen in einem lockeren Rahmen. Wichtig ist der Austausch bei Veränderungen allgemein und auch auftretende Probleme direkt anzusprechen. Eine Offenheit für die Bedarfe und Besonderheiten im Quartier seitens der vhs sind sehr wichtig.

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