Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund in der „Nationalen Weiterbildungsstrategie“ das gesamte System des lebensbegleitenden Lernens gleichermaßen berücksichtigt, gerade auch die Allgemeine Weiterbildung. Als größtes Netzwerk der öffentlich verantworteten Weiterbildung gehören die Volkshochschulen bei der strategischen Planung mit an den Tisch.

Die Volkshochschulen begrüßen die „Nationale Weiterbildungsstrategie“ des Bundesbildungsministeriums und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Diese allerdings auf die berufliche Weiterbildung zu verengen, greift zu kurz. Während aller Lebensphasen müssen Bürger*innen immer neue und komplexere Anforderungen in ihrer Lebens- und Arbeitswelt bewältigen. Die dafür erforderlichen Kompetenzen vermitteln allgemeine und berufliche Bildung gleichermaßen und in nicht zu trennender Weise. Volkshochschulen müssen Gelegenheit erhalten, die Perspektive der Weiterbildungspraxis und die Interessen der Lernenden in die „Nationale Weiterbildungsstrategie“ einzubringen.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund einen Hilfsfonds zum Ausgleich existenzgefährdender Einnahmeausfälle in Krisenlagen aufsetzt und dauerhaft wirksame Regelungen zur besseren sozialen Absicherung freiberuflicher Lehrkräfte in der öffentlichen Weiterbildung schafft.

Als eine wichtige Konsequenz aus den Erfahrungen der Corona-Krise soll der Bund im Rahmen seiner Kompetenzen das flächendeckende Netz der öffentlichen Weiterbildung absichern. Dort, wo es keine ausreichenden Hilfsprogramme auf kommunaler und Länderebene gibt, muss der Bund seine Verantwortung für die Weiterbildung wahrnehmen. Nur mit einer stabilen Finanzierung und Planungssicherheit sind Weiterbildungseinrichtungen und deren Strukturen in der Lage, auch in Krisenzeiten ihren wichtigen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten.

Grundsätzlich müssen Lehrkräfte leistungsgerecht bezahlt und bei Bedarf sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden können. Zur sozialen Absicherung von Kursleitenden müssen gegebenenfalls Zuschläge zur anteiligen Deckung der Sozialversicherungskosten finanzierbar sein. Ihre soziale Absicherung muss auch in Krisenzeiten gewährleistet werden.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund seine nationalen Entscheidungsspielräume nutzt, um die gesamte allgemeine Weiterbildung als vierte Säule des Bildungssystems dauerhaft von der Umsatzsteuer zu befreien.

Auf diese Weise soll allen Menschen in Deutschland ein niedrigschwelliger Zugang zu Bildungsangeboten erhalten bleiben, die sie zur aktiven Teilhabe am sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Leben befähigen, die sie darin unterstützen, eine ehrenamtliche Tätigkeit auszuüben oder sich in wirtschaftlichen Fragen, kulturell oder sprachlich, zu gesellschaftspolitischen Themen oder im Interesse ihrer Gesundheit weiterzubilden.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund ein Programm zur digitalen Breitenbildung aufsetzt, das die Kompetenzfelder des europäischen Referenzrahmens zur digitalen Bildung (DigComp) modular auf verschiedenen Niveaustufen umfasst. 

Egal ob Digital Natives oder Digital Immigrants: Jeder und jede von uns hat Lernbedarf, wenn es um den souveränen Umgang mit digitaler Technologie geht. Das Spektrum reicht von Fragen der Datensicherheit, über reine Anwendungskenntnisse verschiedener Programme bis hin zu Fragen der kritischen Medien- und Informationskompetenz, wenn es um die demokratiestärkende Unterscheidung von Fakten und Fake News geht. 

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund in Form eines „Investitionsfonds Digitalisierung in der Weiterbildung“ die technische Ausstattung und Infrastruktur der Einrichtungen vorantreibt, um der weiter voranschreitenden digitalen Spaltung der Gesellschaft systematisch entgegenzuwirken. 

Wenn Menschen aller Bevölkerungsgruppen befähigt werden sollen, im digitalen Wandel mitzuhalten, dann benötigen auch öffentlich verantwortete Erwachsenen- und Weiterbildungseinrichtungen eine angemessene technische Ausstattung und Infrastruktur, darunter gut ausgestattete und leicht erreichbare digitale Lernzentren. 

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund ein Entwicklungsvorhaben aufsetzt, um Qualitätsstandards für neue digitale Formen des Lehrens zu entwickeln. Dies umfasst auch die Bereitstellung ausreichender Finanzmittel, um Lehrkräfte sowie Programmverantwortliche in ihren digitalen Unterrichtskompetenzen zu qualifizieren. 

Online-Lernen erfordert digitale Nutzungskompetenzen und neue didaktisch-methodische Unterrichtskonzepte, um unter veränderten medialen Bedingungen weiterhin barrierefreien Austausch und Interaktion als zentrale Faktoren erfolgreicher Lernprozesse zu gewährleisten.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund in Zeiten sich verstärkender gesellschaftlicher Spaltungs- und politischer Radikalisierungstendenzen ein besonderes Augenmerk auf Demokratiebildung richtet, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Ein entsprechendes Bundesprogramm muss aktuelle Fragen von hohem Publikumsinteresse systematisch aufgreifen und ein handlungsorientiertes Verständnis fördern. Daneben muss es auch Mittel für innovative Dialog- und Beteiligungsformate vorsehen und deren Umsetzung unter der Regie von Volkshochschulen auf kommunaler Ebene fördern.

Demokratiebildung stärkt Menschen in ihrer Dialogfähigkeit und zeigt ihnen politische Einflussmöglichkeiten und Handlungsspielräume auf. Sie kann Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen wirksam vorbeugen. Die Erfahrungen der Bürger-Dialoge – wie zuletzt zur Zukunft Europas (2018) – haben gezeigt, dass es gerade Volkshochschulen gut gelingt, Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, Lebensentwürfen und Lebenslagen in eine kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit der Zukunft unserer Gesellschaft einzubinden. Das Dialogformat liefert der Politik wichtige Impulse und stärkt gleichzeitig politische Teilhabe der breiten Bevölkerung sowie das Bewusstsein für politische Entscheidungsprozesse und staatliches Handeln.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund das erfolgreiche Förderprogramm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ auch nach 2022 fortsetzt.

Das Programm hilft benachteiligten Kindern und Jugendlichen dabei, Bildungshindernisse zu überwinden und fördert nachhaltig schulische Lernerfolge. Lokale Bündnisse bereichern die kommunale Bildungslandschaft durch Kooperationen zwischen den Bereichen Kultur, Bildung, Soziales und Jugend.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund den „Nationalen Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung“ in ein Förderprogramm überführt, das finanzielle Mittel zur Weiterbildung der breiten Bevölkerung bereitstellt, um das Thema strukturell in allen Bereichen der deutschen Bildungslandschaft zu verankern. Eine systematische Bildung der breiten Bevölkerung für nachhaltige Lebensweisen und zur Beteiligung an den dafür notwendigen Transformationsprozessen bedarf fundierter Kurskonzepte und qualifizierter Lehrkräfte. Um ihre Multiplikatorenwirkung bestmöglich
zu entfalten, brauchen die Einrichtungen der Weiterbildung systematische Unterstützung sowohl in ihrer Organisationsentwicklung im Sinne eines „whole institution approach“ als auch für die Weiterbildung breiter Bevölkerungskreise.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund seine Förderung im Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung ausbaut. Dies schließt Entwicklungsprojekte ebenso ein wie die dringend notwendige staatliche Regelförderung, die allen Betroffenen eine vollfinanzierte Teilnahme an Alphabetisierungs- und Grundbildungsangeboten ermöglicht. Auch die kontinuierliche und niedrigschwellige Ansprache ist unabdingbar.

Die Zahl der Erwachsenen in Deutschland, die nicht ausreichend lesen und schreiben können, ist mit 6,2 Millionen nach wie vor dramatisch hoch. Dies verlangt nach einem klaren Bekenntnis, Alphabetisierung und Grundbildung als dauerhafte Aufgaben zu begreifen, für die analog zur Förderung der Integration von Zugewanderten der Bund eine Verantwortung und Zuständigkeit hat und die über die Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung hinausreichen muss.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund innerhalb der Nationalen Dekade ein breites Grundbildungsangebot entwickelt und fördert, um für alle in Deutschland lebenden Menschen die Voraussetzungen und die Anschlussfähigkeit für den nachholenden Erwerb formaler (Schul-)Abschlüsse zu verbessern.

Im Sinne erfolgreicher Lern- und Bildungsbiografien müssen Förderangebote als Bildungsketten miteinander verbunden werden, damit Anschlüsse eröffnet und Übergänge erleichtert werden. Alle Erwachsenen müssen die Möglichkeit erhalten, Schulabschlüsse nachzuholen – unabhängig von Alter, Erwerbs- und Aufenthaltsstatus sowie nationaler Herkunft. In Deutschland verlassen jährlich rund 70.000 junge Menschen die Schule ohne einen Abschluss. Von den nach Deutschland zugewanderten Erwachsenen verfügt über ein Drittel nicht über einen Schulabschluss. Sie müssen nach Abschluss von Integrations- oder Berufssprachkursen die Möglichkeit erhalten, breite Kompetenzen zu erwerben und in Form eines formalen Schulabschlusses nachzuweisen, um so ihre Chance auf einen Ausbildungsplatz oder eine existenzsichernde Beschäftigung zu erhöhen.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund die Integrations- und Berufssprachkurse finanziell besser ausstattet und dazu die Trägerpauschale nachhaltig anhebt. Zugleich muss der Bürokratieabbau im Integrations- und Berufssprachkurssystem deutlich verstärkt werden.

Mit den Integrations- und Berufssprachkursen hat der Bund ein zentral gelenktes Kurssystem für die sprachliche und berufliche Integration von Zugewanderten geschaffen. Die zunehmende Vielfalt von Bildungsbiografien und Lernvoraussetzungen der Teilnehmenden stellt höchste Ansprüche an die Qualifikation der Lehrkräfte, deren Tätigkeit angemessen vergütet und sozial abgesichert werden muss. Auch die Träger müssen für die anspruchsvollen Organisations- und Beratungsaufgaben ausreichend finanziert werden. Der restriktive bürokratische Aufwand bei der Umsetzung der Integrations- und Berufssprachkurse hat ein Niveau erreicht, das dringender Reformen und Vereinfachungen bedarf.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund bildungsbenachteiligten Zielgruppen ein Recht auf individuelle Bildungsberatung und Bildungsplanung gewährt, die in geeigneten Formaten angeboten werden.

Im Sinne einer gelingenden gesellschaftlichen Integration müssen die Kompetenzen und Talente Bildungsbenachteiligter systematisch identifiziert und gefördert werden. Zugewanderte und Menschen, die Schwierigkeiten im Lesen, Schreiben und Rechnen haben, müssen so informiert und beraten werden, dass sie das deutsche Bildungssystem verstehen und seine Potentiale für ihre Bildungsbiografie ausschöpfen können. 

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass sich der Bund gegenüber der Europäischen Kommission für eine Stärkung der Erwachsenenbildung in all ihren Facetten als wichtigem Bestandteil des lebensbegleitenden Lernens aktiv einsetzt.

Dieses Engagement beinhaltet vor allem eine angemessene Ressourcenausstattung der entsprechenden Europäischen Förderprogramme sowie klare Zuständigkeiten und eine angemessene personelle Ausstattung in der EU-Kommission.

Die Volkshochschulen halten es für unerlässlich, dass der Bund seinen Förderschwerpunkt Bildung innerhalb der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Sinne des Lebenslangen Lernens weiter ausbaut.

Neben der beruflichen Bildung sollte die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zusätzlich die Förderung einer breit angelegten Weiterbildung von Jugendlichen und Erwachsenen zu einem ihrer Schwerpunkte machen, um den Menschen mehr Beteiligungsmöglichkeiten und Perspektiven in ihren Heimatländern zu geben.

Der Bund wird aufgefordert, sich auf globaler Ebene, etwa im Rahmen der Vereinten Nationen, der „Global Partnership for Education“ und der Entwicklungsbanken für eine Förderung aller Bildungsbereiche im Sinne des Lebenslangen Lernens einzusetzen.