Inhalt anspringen

Deutscher Volkshochschul-Verband

„Ich hätte nicht gedacht, dass das übers Internet geht“

Dieser Projektbericht stammt aus der vergangenen Förderphase (2018-2022) von "Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung". Es sind daher konzeptionelle Abweichungen im Vergleich zur aktuellen Förderrichtlinie möglich.

Seit es das Förderprogramm „Kultur macht stark“ gibt, sind wir mit dabei: Bereits 58 talentCAMPus-Projekte haben wir seit 2013 in unserem Projektbündnis mit dem Jugendzentrum (JuZ) und den Museen in der Schranne Bad Königshofen umgesetzt. Auch für die Osterferien waren zwei solcher Angebote konzipiert: „Theater – real oder fremd?“ und „Go on dancing – feel the beat and move your feet“. Dann kamen Corona und der Lockdown – und das drei Wochen vor den Osterferien.

Lockdown kurz vor Start – und jetzt?

Einen unserer ersten Anrufe richteten wir an den DVV – verbunden mit der Nachfrage, ob es möglich sei, unsere Projekte in digitale Angebote umzuwandeln? Das grüne Licht kam schnell, die konkrete Planung bereitete uns dann einiges Kopfzerbrechen. Funktionieren unsere Projekte online? Schaffen „unsere“ Kinder und Jugendlichen das technisch? Wie erreichen wir sie? Die Website unseres Projektbündnisses jukunet.de wurde kurzfristig umgebaut, ein digitales Anmeldeformular wurde geschaffen und mit einem kurzen Erklärvideo versehen.

Wie übersetzt man Theater und Tanzprojekte ins Digitale?

Ein paar Änderungen gegenüber dem regulären talentCAMPus waren schnell klar: Die üblichen neun Unterrichtseinheiten am Tag sind für ein digitales Format zu lang. Wir haben gekürzt auf je zwei UEs für die beiden Bausteine und bewusst die Bewegungs- und Entspannungsphase stehen gelassen, da wir sie für die Arbeit vor dem Bildschirm für besonders wichtig hielten. Die Zahl der Teilnehmenden haben wir reduziert und die Altersgrenze von 9 auf 11 Jahre herauf gesetzt.

Wichtig war, dass unser Digital-Angebot möglichst niedrigschwellig funktioniert, auf allen Geräten läuft, auch dann, wenn nur ein Smartphone vorhanden ist. Das Kritierium für die Auswahl unserer Kursinhalte war der Wunsch, möglichst jene Familien zu erreichen, deren technische Ausstattung und Digital-Kenntnisse eben nicht noch nicht so fortgeschritten waren. Unsere Wahl fiel deshalb auf Zoom.

Neue Themen für eine neue Lage

Die beiden Theaterdozentinnen konzentrierten sich auf die geplanten Themen, die mit kleinen Spielszenen kreativ umgesetzt wurden. Sehr positiv wurde bewertet, dass die Kinder und Jugendlichen ihren eigenen Theaterschminkkasten mit der Post zugeschickt und damit greifbare Utensilien für das sonst rein virtuelle Format bekamen. Das zusätzlich eingebaute Thema Gebärdensprache machte allen sogar viel mehr Spaß als erwartet („wir haben eine tolle Zeichensprache gelernt“); hier wurde eine Weiterführung gewünscht.

Vor besondere Herausforderungen stellte uns der Dance-talentCAMPus: Der Dozent für Hiphop und Breakdance unterrichtete von Thailand aus – er war dort vor dem Corona-Lockdown im Urlaub und bekam bis Redaktionsschluss keinen Rückflug. Im curricularen Anteil in diesem talentCAMPus ging es um soziale Kompetenzen – angepasst an die aktuelle Lage. Wie läuft das Leben in der Familie in der Zeit mit Home-Schooling und Ausgangsbeschränkungen? Wie gehe ich mit Ängsten und schlechter Stimmung um? Was mache ich bei Auseinandersetzungen und Stress? Aus all diesem entstand ein Quarantäne-Rap. Die Dozentin, die den curricularen Teil schwerpunktmäßig vermittelte, befand sich an ihrem Arbeitsort im bayerischen Wald, sodass wir einen wohl einmaligen Radius Thailand – Rhön-Grabfeld – Niederbayern hatten.

Herausforderungen, Hindernisse und eine positive Bilanz

Die Kinder und Jugendlichen mussten für dieses neue Format sehr gezielt und persönlich angesprochen werden. Dies war durch unser Bündnis möglich. Die Ankündigung erfolgte weitestgehend digital über ein Bild des jeweiligen Plakats, über Facebook und unseren bewährten Eltern-E-Mail-Verteiler. Die Plakate wurden laminiert an den Zäunen vor der vhs, dem JuZ und dem Kreativ-Zaun des Kindergartens aufgehängt. Die meisten Teilnehmenden und das Dozenten-Team kannten sich untereinander schon von früheren Projekten, was die Kommunikation sehr erleichterte. Gleichzeitig kamen erstmalig teilnehmende Jugendliche gut in die Gruppe.

Außerordentlich hilfreich war die technische Assistenz, gerade zu Beginn. Die Ehrenamtliche konnte diejenigen gut unterstützen, die zunächst nicht in den digitalen Konferenzraum kamen, Bild und Ton nicht gleich funktionierten etc. In einem Fall gelang uns dies leider nicht, denn die sprachlichen Hürden zu einer Familie aus der Gemeinschaftsunterkunft waren zu hoch, um das Technische hinzubekommen. Schwierig war es auch teilweise mit dem Platz in den Familien: Wer keinen Raum zur Verfügung hat, um ungestört teilzunehmen, hat es schwerer, ebenso, wenn nur ein Smartphone und damit nur ein sehr kleiner Bildschirm vorhanden war. In einem Fall war auch das WLAN zu schlecht, und die Mutter war der Ansicht, der Junge (der sonst an nahezu jedem talentCAMPus teilnimmt) solle sich nicht so lang vor einem Bildschirm aufhalten.

Alles in allem waren die Rückmeldungen aber sehr positiv, sowohl von den Kindern und Jugendlichen selbst als auch von den Eltern: „Unser Kind hat mal an etwas anderes gedacht und kam aus der trüben Stimmung heraus, die wir leider im Moment selbst oft haben“, „Ich hätte nicht gedacht, dass das über’s Internet geht“, „Ich bin wieder dabei, wenn es in den nächsten Ferien noch nicht persönlich möglich ist.“

Renate Knaut, Juni 2020

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • vhs Rhön und Grabfeld