Wir haben mit Ingo Bourdoux gesprochen, der seit einigen Jahren Online-Kurse an Volkshochschulen anbietet. Er gibt Kursleitenden Tipps und Tricks zum Start von digitalen Lernangeboten und macht Mut, die digitalen Tools, wie beispielsweise die vhs.cloud auszuprobieren und zu nutzen.
Lieber Herr Bourdoux, seit einigen Jahren sind Sie als Erwachsenenbildner in Online-Kursen zur Finanzbuchführung aktiv und unterstützen Ihre Präsenzkurse dabei mit der vhs.cloud. Was ist für Sie das Spannende am digitalen Lernen und Lehren?
Als großen Vorteil des digitalen Lernens sehe ich die zeitliche und örtliche Unabhängigkeit für die Teilnehmenden (TN). Sie müssen nicht mehr zu festgelegten Terminen in der Volkshochschule erscheinen, was besonders bei den heutigen Anforderungen nach Flexibilität in der Arbeitswelt nicht mehr einfach ist. Allerdings erfordert diese Art des Lernens auch ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit.
Für mich bietet die Nutzung moderner Medien darüber hinaus auch die Gelegenheit, noch einmal meine Art des Lehrens zu überdenken und zu überlegen, ob andere Wege vielleicht sogar besser zum Ziel führen.
Welche Fähigkeiten und Kenntnisse sollte ein*e Dozent*in mitbringen, wenn er oder sie Online-Kurse anbieten möchte?
Ich muss bei der Gestaltung eines digitalen Angebots auf die klare Strukturierung der Lerninhalte achten. Dabei muss ich überlegen, was die Teilnehmenden mit diesem Kurs erreichen wollen und mich dann fragen: Mit der Vermittlung welcher Inhalte erreiche ich dieses Ziel und welche Methoden sind für meine Zielgruppe geeignet? Dann kann ich entscheiden, welches digitale Tool an welchen Stellen sinnvoll als Ergänzung zu den analogen Lernunterlagen eingesetzt werden kann.
Dazu ist es allerdings nötig, zumindest einige Grundkenntnis über digitale Werkzeuge und deren Möglichkeiten zu haben. Konkret sollte ich z.B. wissen, was ich mit den einzelnen Tools der vhs.cloud erreichen kann, nur dann kann ich sie auch wirklich abgestimmt in meinen Kursen einsetzen, beispielsweise das Konferenztool, Lernbausteine und die Mediathek. Und ein wenig Wissen über die eingesetzte Technik ist sicher auch nicht schlecht...
Welche organisatorischen und verwaltungsmäßigen Aufgaben im Hintergrund muss man beachten und einplanen?
Ein digitales Kursangebot braucht wahrscheinlich noch mehr als der klassische Präsenzkurs eine klare Struktur der Inhalte und Abläufe. Dies muss für die Teilnehmenden deutlich erkennbar und nachvollziehbar sein, um ihnen eine einfache Orientierung im digitalen Kurs zu ermöglichen. Eine zentrale Frage ist sicher die Kommunikation mit den TN. Gerade die vhs.cloud bietet hier viele verschiedene Wege, daher sollte also feststehen, wann welche Wege benutzt werden.
Auch sollten die Zeiten klar festgelegt und kommuniziert werden, in denen die Kursleitung für die digitale Lernbegleitung zur Verfügung steht.
Im Gegensatz zu Präsenzkursen befinden sich bei Online-Angeboten die Teilnehmenden nicht alle im selben Raum. Wie schafft man es als Kursleiter*in dennoch eine Gruppendynamik aufzubauen und das gemeinsame Lernen zu unterstützen? Oder geht es hier primär um individuelles Lernen?
Ich glaube, das beste Lernen ist gemeinsames Lernen bzw. das Lernen voneinander. Deshalb versuche ich den Austausch im Forum der vhs.cloud zu fördern und zu unterstützen. Es fällt vielen Teilnehmenden allerdings schwer, sich frei und unbefangen mit völlig Fremden auszutauschen. Ich hoffe, dass die Nutzung des Konferenztools hier ein Kennenlernen und den Abbau von Distanz möglich macht, können sich die TN hier doch tatsächlich "live" sehen und hören, nur eben im virtuellen statt realen Raum.
Jeder hat mal einen Durchhänger beim Lernen. Wie gehen Sie trotz der Distanz und mithilfe von digitalen Tools individuell auf die Teilnehmenden ein, wenn zum Beispiel Motivation oder Unterstützung notwendig ist?
Ich versuche hierfür den Lernplan der vhs.cloud zu nutzen, weil er ein individuelles Feedback ermöglicht, das ich auch an einzelne Teilnehmende senden kann, ohne dass die anderen dies sehen. Oder ich stelle hierüber ergänzendes Material und Aufgaben bereit. Außerdem nutze ich die Möglichkeit, in einem zusätzlichen Konferenztermin mit mir alles zu besprechen.
Neben der individuellen ist aber auch die Motivation der gesamten Gruppe wichtig. Zur Auflockerung kann ein lustiger Pinnwandeintrag oder ein einmal nicht so perfektes Lernvideo dienen. Oder die Teilnehmenden finden in den Aufgaben einen Fehler, da wird dann sogar das Forum genutzt...
Wichtig ist wohl vor allem, dass die Teilnehmenden sich im virtuellen Raum nicht allein gelassen fühlen. Eine aktive Forenbetreuung und zeitnahe Rückmeldungen tragen sicher hierzu bei.
Seit dem Ausfall der vhs-Kurse aufgrund der Corona-Pandemie ist der Zulauf zur vhs.cloud sehr groß. Wie nehmen Sie diesen wahr und was macht das mit Ihren Angeboten?
Zum Glück habe ich bereits Erfahrungen mit der vhs.cloud sammeln können, da ich mit der Begleitung von Präsenzkursen bereits begonnen hatte. Zur Zeit führe ich meinen Präsenzkurs nach zwei von 15 Terminen über die Cloud weiter, zwar noch als unverbindliches Angebot, aber immerhin sechs von neun Teilnehmenden wollen den Kurs virtuell fortsetzen.
Ich habe uns hier den Lernplan als Struktur gegeben, der Input erfolgt über die Lernbausteine, eine Nachbereitung und Vertiefung findet in der Konferenz statt. So kann ich die vhs.cloud optimal mit allen Möglichkeiten einsetzen und den TN ein abwechslungsreiches Lernen ermöglichen.
Haben Sie noch einen letzten Tipp für Kursleitende, die auf digitale Angebote umstellen möchten? Welches Format bietet sich für den Einstieg am besten an?
Es ist eigentlich schade, dass es einer Krise wie Corona bedarf, um sich intensiv mit der digitalen Bildung auseinanderzusetzen. Jetzt drängt auf einmal die Zeit und vieles soll und muss sehr schnell erreicht werden...
Eigentlich halte ich einen schrittweisen Einstieg für sinnvoll. Führt für "normale" Kurse in der vhs.cloud ein "digitales Kurstagebuch", dokumentiert den Kursablauf und stellt die Unterlagen über die Dateiablage der Cloud zur Verfügung. Erweitert dann die Dateiablage um Zusatzmaterialien, nutzt die Lernbausteine für kleine Erklärvideos, macht dort ein kleines Quiz zur Lernerfolgskontrolle...
Versucht nicht, den bisherigen Inhalt identisch über das Konferenztool zu vermitteln, sondern passt die Möglichkeiten entsprechend an. Gemeinsam in der Konferenz ein Video anzuschauen ist nicht unbedingt zielführend. Die Diskussion der Inhalte und Fragen dazu können aber durchaus gemeinsam online besprochen und so die Kurszeit optimal genutzt werden.