Von Augusto Macicame
Die Gesamtbevölkerung von Mosambik wird auf rund 29 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner geschätzt. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Statistik (2016) leben 60 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze und müssen mit weniger als 1,90 US-Dollar pro Tagauskommen. Damit gehört Mosambik zu den zehn ärmsten Ländern der Welt. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt in ländlichen Gebieten und von Subsistenzwirtschaft. Eine der größten Herausforderungen des Landes ist die hohe Analphabetenrate. Sie liegt bei fast 45 Prozent. Deshalb gehört die Reduzierung des Analphabetismus zu den Hauptschwerpunktender Regierungspolitik. Ein großer Teil der hauptsächlich staatlich geführten Alphabetisierungs- und Erwachsenenbildungsprogramme leidet jedoch unter hohen Abbrecherquoten, die bei etwa 40 Prozent liegen.
Ursachen der hohen Abbruchquoten
DVV International analysierte die Berichte zahlreicher Programme der vergangenen Jahre und befragte die Teilnehmenden, um die Hauptgründe für die hohen Abbrecherraten festzustellen. Dabei zeigte sich, dass viele Lernende erstens der Meinung sind, dass diese Programme nur begrenzte Bedeutung für ihr tägliches Leben haben. Ein weiteres Problem besteht darin, dass Alphabetisierungsprogramme häufig Teilnehmende mitunterschiedlichen Vorkenntnissen in denselben Gruppen einordnen. Sowohl für die Lernenden als auch für die Lehrenden stellt das eine schwer zu bewältigende Herausforderung dar. Zahlreiche erwachsene Lernende sind auch der Ansicht, dass die Kursdauer der Erwachsenenbildungsprogramme zu lang ist. Zum Beispiel erstreckt sich das nationale Alphabetisierungsprogramm über drei Jahre. Außerdem kollidieren unfl exible Lernzeitpläne und Terminvorgaben häufig mit anderen Lebensaktivitäten wie beispielsweise dem Landwirtschaftskalender. Letztlich führt es dazu, dass jedes Jahr eine große Anzahl williger Teilnehmender den Kurs abbricht. Basierend auf dieser Analyse entwickelte DVV International in Mosambik das „Integrierte Programm“. Diesen neuen Ansatz setzt das Institut seit 2014 in den beiden Pilotprovinzen Maputo und Sofala um und wird dabei von lokalen Partnern aus der Zivilgesellschaft und dem Bildungsministerium unterstützt.
Das Integrierte Programm: flexibel und bedürfnisorientiert
Das Integrierte Programm richtet sich nach den Bedürfnissender Lernenden. Es ist flexibel gestaltet und ermöglicht die Integration von Lernenden auf verschiedenen Niveaustufen.
Die Hauptmerkmale des Programms sind:
- Relevanz: Alle Lese-, Schreib- und Rechenaktivitäten basieren auf dem täglichen Leben und den Aktivitäten der Teilnehmenden. So wird beispielsweise das Curriculum in Kursen mit Kleinbäuerinnen und Kleinbauern so angepasst, dass sich der gesamte Inhalt (Wortschatz und Rechenübungen) nach den tatsächlichen Aktivitäten im Alltagsleben der Lernenden ausrichtet.
- Ein modulares Curriculum: Thematische Module ermöglichen es den Teilnehmenden, flexibel im Kurs voranzukommen. Die Kursdauer ist im Vergleich zu anderen Programmen insgesamt wesentlich kürzer. Wenn Teilnehmende aus verschiedenen Gründen den Kurs abbrechen müssen, können sie später problemlos wieder einsteigen, ohne den gesamten Jahreskurs wiederholen zu müssen. Ein Wiedereinstieg ist auf der Kompetenzstufe, die ihren Fähigkeiten entspricht, möglich.
- Kompetenzstufen: Jedes thematische Modul setzt sich aus 14 Einheiten (oder Kompetenzstufen) zusammen. Über diese werden die Lese-, Schreib- und Rechenfähigkeiten entwickelt. Jede Stufe befasst sich mit einem spezifischen Thema, das speziell auf die Zielgruppe angepasst wurde, z. B. „Lebensmittel und Ernährung“, „Gesundheit“ oder „Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte“.
- Kurze Programmdauer: Das Integrierte Programm kann in etwa 360 Stunden über circa 15 Monate abgeschlossen werden. Die genaue Dauer ist abhängig vom Wochenplan, auf den sich die Teilnehmenden vorab verständigt haben. Damit ist es deutlich kürzer als die drei Jahre des nationalen Alphabetisierungsprogramms. Möglich wird dies durch das speziell angepasste Curriculum, das effizienter als die meisten Lehrpläne von Alphabetisierungsprogrammen abgestimmt ist.
- Flexible Kalender und Stundenpläne: Die Teilnehmenden legen die monatlichen und wöchentlichen Stundenpläne und Kalender selbst fest und entscheiden darüber, welche Sprache verwendet wird. Ihre aktive Beteiligung ist Teil eines partizipativen Ansatzes, der aus Best-Practice-Beispielen formaler Alphabetisierungsprogramme und aus Elementen non-formaler Empowerment-Programme wie REFLECT („Regenerated Freirean Literacy through Empowering Community Techniques“) kombiniert wurde.
- Effizient abgestimmte Lernstufen: Das Programm ermöglicht eine einfache Integration von Lernenden auf verschiedenen Niveaustufen und erleichtert so die Situation der Kursleiterinnen und -leiter. Erreicht wird dies durch Evaluierungen aller Lernenden zu Beginn des Kurses. Auf dieser Basis werden die Teilnehmenden den Lerngruppen auf der entsprechenden Niveaustufe zugeordnet.
Landesweite Verbreitung des Programms geplant
Seit 2014 erprobt DVV International diesen Ansatz in Pilotprojekten. Rund 2.000 Teilnehmende profitierten bisher vom Integrierten Programm in den Provinzen Maputo und Sofala. Das Programm wurde nun evaluiert und auf Grundlage der abgegebenen Empfehlungen weiter verbessert. Mit Blick auf den Erfolg des Programms und die geringen Abbruchquoten von etwa fünf Prozent hat das mosambikanische Bildungsministerium sein Interesse bekundet, das Integrierte Programm zu übernehmen und in Zusammenarbeit mit DVV International landesweit zu verbreiten. Ab 2018 wird der Ansatz auch von DVV International in Malawi in Kooperation mit der Regierung und den dortigen Partnern repliziert werden.
Augusto Macicame leitet das Länderbüro von DVV International in Mosambik.