Digitale Wege in der Leseförderung
Köln 20.11.2020 – Zum gemeinsamen Lesen, Vorlesen, Lachen und vertrauten Gesprächen treffen sich bundesweit 16.600 Lesekinder einmal pro Woche in der Schule mit einem Lesementor. Weil die Pandemie auch die Lesestunden einschränkt, ist seit März dieses Jahres dieser direkte Kontakt zeitweise nicht möglich. Daher haben der MENTOR – Die Leselernhelfer Bundesverband e.V. und seine 92 regionalen Vereine neue kreative und digitale Wege für die Leseförderung entwickelt.
Die bundesweit 13.000 Lesementorinnen und -mentoren motiviert die enorme Bedeutung der Leseförderung für die Kinder und Jugendlichen: Lesen ist die Schlüsselkompetenz in unserer Gesellschaft und die Voraussetzung für das Lernen in allen Fächern.
Die Förderung ist dringend nötig, denn die aktuelle PISA-Studie zeigt: Jede*r Vierte Fünfzehnjährige kann nur auf Grundschulniveau lesen. Die Pandemie verschärft die Situation noch, erläutert Margret Schaaf, 1. Vorsitzende des MENTOR – Die Leselernhelfer Bundesverbands e.V.: „Wir wollen den Kindern und Jugendlichen helfen, die während der Krise zuhause keine Unterstützung beim Lernen hatten und haben. Häufig standen sie schon vorher mit Lese- und Lernproblemen da, die sich nun verstärken, da viele Förderangebote seit Monaten nicht mehr stattfinden. Wer die ohnehin schon ungleich verteilten Bildungschancen erst in den Blick nimmt, wenn die Krise ausgestanden ist, hängt diese Kinder wissentlich noch mehr ab.“
Lese-Apps und Videogespräche als Austausch
Als die Schulen im März geschlossen wurden, blieben viele Mentor*innen telefonisch mit ihren Lesekindern in Kontakt, um weiter zu lesen. Andere Betreuungspersonen schrieben Briefe mit offenen Geschichten, die die Kinder dann vollendeten. Auch das Verteilen von Kinderzeitungen war eine zusätzlich Maßnahme, um die Mädchen und Jungen zum Lesen anzuregen. Aber besonders in der Leseförderung auf Distanz, spielt auch das Digitale eine bedeutende Rolle: Gut konzipierte Lese-Apps und Videogespräche mit den Mentor*innen sind schöne, interaktive Leseerlebnisse, um die Kinder und Jugendlichen für das Lesen begeistern. Viele Lesetandems behielten den digitalen Austausch bei, auch als die Schulen nach den Sommerferien wieder öffneten.
Tablets für Kinder in Krefeld
So auch im regionalen Verein MENTOR – Die Leselernhelfer Krefeld e.V. Er hat für die Krise ein neues, digitales Leseangebot aufgebaut: Die Bürgerstiftung Krefeld stiftete dafür 20 Tablets für die Lesekinder. „Die Tablets haben wir speziell für die Kinder eingerichtet. Sie können damit nicht im Internet surfen, aber auf ein geprüftes Lese- und Lernangebot zugreifen. Dafür haben wir Lizenzen gekauft,“ berichtet Schatzmeister Thomas Stock von MENTOR Krefeld, der für die Software und Technik zuständig ist.
Kern des Krefelder Projektes sind die digitalen Lesestunden, zu denen sich ein Kind mit seiner Mentorin oder seinem Mentor verabredet. Dabei schaltet der oder die Erwachsene den Bildschirm seines eigenen Gerätes auf das Tablet des Lesekinds. Über eine Software für Videokonferenzen sehen sich Mentor*in und Kind gegenseitig sowie dieselben Inhalte auf dem Monitor. So können sie gemeinsam lesen, in Wörterspielen antreten oder interaktive Leselern-Apps nutzen. „Damit erreichen wir Kinder und Jugendliche, die aufgrund von Corona sonst gar keine Lesestunden wahrnehmen könnten. Wann und wo immer es möglich ist, bieten wir selbstverständlich unsere bewährten Lesestunden nach dem 1:1-Prinzip im direkten Kontakt an,“ erläutert Thomas Stock. Das digitale Konzept kommt bei den Krefelder Kindern gut an und auch der benachbarte MENTOR-Verein in Dortmund hat es bereits übernommen.
Digialisierung als Chance für die Zukunft
Es ist übrigens keine Notlösung, um die Corona-Zeit zu überbrücken: Die digitale Leseförderung bietet grundlegende Vorteile, sagt Andrea Pohlmann-Jochheim, Vorstandsmitglied im MENTOR – Die Leselernhelfer Bundesverband e.V: „Gut gemachte, digitale Angebote bieten Videos oder Audiodateien zur Lese-Geschichte oder Auswahlmöglichkeiten, über die die Kinder und Jugendlichen den Verlauf der Geschichte selbst mitbestimmen können. Damit bieten sie zusätzliche Informationen, die Kindern helfen, Phantasie zu entwickeln, sich Dinge vorzustellen, Worte zu entziffern und sich an Geschichten heranzutasten. Solche, über mehrere Kanäle verknüpfte Informationen unterstützen Kinder beim Verstehen.“
Der Krefelder MENTOR-Verein ist an 16 Grundschulen aktiv und fördert insgesamt 74 Kinder. Unterstützung bekommen die Mentor*innen in Krefeld von regionalen Förderern, zu denen auch die Volkshochschule vor Ort zählt. Bundesweit kooperieren MENTOR-Vereine in 25 Kommunen mit Volkshochschulen. So auch im Projekt „MENTOR – Die Leselernhelfer: Digitaler Treffpunkt der Generationen“, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Der Bundesverband hat das Projekt zum digitalen Lesen mit einem Seminarangebot für seine 92 regionalen Vereine konzipiert und baut bei der Durchführung auf die Zusammenarbeit mit den Volkshochschulen, z. B. nutzt MENTOR für die Digitalseminare vhs-Räume.
Über MENTOR – Die Leselernhelfer Bundesverband
Oberstes Prinzip ist die 1:1-Betreuung: Ein Mentor fördert ein Kind, einmal in der Woche, mindestens ein Jahr lang. Die Förderung erfolgt ausschließlich in Kooperation mit den Schulen. Unter dem Dach des Bundesverbandes engagieren sich 13.000 ehrenamtliche Lesementoren für 16.600 Kinder und Jugendliche.
Der erste MENTOR-Verein wurde 2003 in Hannover gegründet. Der Bundesverband mit Sitz in Köln sorgt vor allem für die Qualifizierung der Lesementor*innen, damit sie ihr Ehrenamt gut vorbereitet aufnehmen und bei ihrer verantwortungsvollen Aufgabe begleitet werden. Förderinnen und Förderer sind Richard David Precht, Sandra Maischberger, Armin Maiwald, Simone Standl und Markus Wasmeier.