von Katharina Reinhold
Hintergrund und Ziele
Wirtschaftsunternehmen wie (Online-)Händler, Google und Facebook und viele weitere sammeln automatisch Daten über das Nutzungs- und Konsumverhalten ihrer Kund*innen. Dafür zu sensibilisieren und Funktionsweisen, Gefahren, aber auch Reaktionsmöglichkeiten aufzuzeigen, waren Ziele des dreitägigen Seminars im April 2017.
Datensammlung im Alltag
Online-Shopping, WhatsApp, Facebook, Einkaufen mit Kundenkarten... Die Teilnehmenden trugen zu Beginn in Gruppen zusammen, wo überall Daten gesammelt und transportiert werden können.
Der Kursleiter Jose Gutierrez veranschaulichte in einem Input, wie mit handelsüblichen Kundenkarten oder mit SIM-Karten Kunden- und Konsumprofile erstellt werden können.
Er zeigte auch, wie Netzwerk-, Verbindungs- und Mobilitätsprofile automatisch erzeugt werden können. Die Teilnehmer*innen recherchierten in Kleingruppen verschiedene Fallbeispiele anhand unterschiedlicher Medien (Video, Filme, Online-Portale, etc.). Dabei ging es zum Beispiel um den Einsatz von RFID-Technik bei Fußballeintrittskarten, deren Ziel die Verknüpfung der Karte mit dem Nutzerprofil des Besitzers ist. Die Teilnehmenden erkannten, dass so die Gruppendynamik von Fans erfasst werden kann. Ein anderes Beispiel waren kontaktlose Skipässe, die inzwischen in fast allen größeren Skigebieten der Alpen verwendet werden. Eine weitere Gruppe beschäftigte sich mit Kundenkarten von Handelsunternehmen, die ihren Kunden Vergünstigungen anbieten, dafür aber unsichtbar das Konsum- und Ausgabeverhalten als Kundenprofil digital aufzeichnen.
Die Ergebnisse der Recherchen wurden in der Gesamtgruppe präsentiert und besprochen. Alle Teilnehmenden fassten für sich in einer Liste zusammen, welche Karten, Zugangsdaten u.a. sie bereits haben. In Gesprächskreisen versuchten sie, anhand der zur Verfügung stehenden Daten aus Karten und Kaufverträgen, ihr eigenes Kundenprofil zu skizzieren.
Auch die Überwachungsaktivitäten der amerikanischen, englischen und deutschen Sicherheitsbehörden waren Thema. Sie wurden anhand des Dokumentarfilms „Citizenfour”, Oliver Stones Film „Snowden” und durch Inputs des Referenten diskutiert.
In einer weiteren Seminareinheit setzten die Jugendlichen sich mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung auseinander. Sie lernten Möglichkeiten kennen, E-Mails und Chats zu verschlüsseln und so ihre Kommunikation zu schützen. Der Referent stellte zudem Auskunftsrechte der Bürger*innen und politische Beteiligungswege beim Open Government vor. Auch das Formulieren von Informationsanfragen, Beschwerden und Ähnlichem in Serviceportalen wurde geübt und somit Beteiligungsformen aufgezeigt.
Überraschungseffekte
Viele der teilnehmenden Jugendlichen waren überrascht, wie viele Spuren sie im Netz und bei Unternehmen hinterlassen und dass als Folge dessen passgenaue Angebote zu ihnen gelangen, die Kaufwünsche erzeugen. Die Gruppe der Teilnehmenden setzte sich zum großen Teil aus neu zugewanderten Jugendlichen zusammen, die oft über ein geringes Einkommen verfügen. „Dies birgt Gefahren, gerade bei einer Zielgruppe, die im Umgang mit einer neuen, schillernden Welt ungewohnt ist. Durch mediale Werbung kommt es leicht zur Bedürfniserzeugung, die ihre finanziellen Mittel übersteigt”, so die Projektverantwortliche der Volkshochschule Berlin-Mitte Christine Bartels.
Verantwortung für die eigenen Daten übernehmen
Im Seminarverlauf erkannten die Teilnehmer*innen die Mechanismen der allumfassenden Datensammlung - sie entwickelten ein Gefühl dafür, dass Zurückhaltung und Verantwortung bei der Preisgabe von Daten sinnvoll sind. Dazu gehörte auch das entsprechende Know-how wie die Möglichkeit der Codierung beim Chatten in sozialen Netzwerken und bei E-Mails. „Durch Informationen über Chancen und Risiken hat die Gruppe erfahren und geübt, mit mehr Sicherheit in der modernen Gesellschaft zu kommunizieren und zu leben. Es handelt sich um einen langen Lernprozess für junge Menschen, die einen spontanen Umgang mit Medien haben. Workshops im Rahmen der politischen Bildung für Jugendliche sind dabei ein Beitrag, wir machen weiter!”, so Bartels. „Beteiligungswege beim Open Government und insbesondere nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erfordern mehr Öffentlichkeit. Wissen und Skills erhöhen bei den Teilnehmenden deren Chancen zur aktiven Beteiligung und zu mehr demokratischem Selbstverständnis. Die Teilnehmenden sollten erfahren, dass eigene, lernende Aktivitäten die individuellen Selbstbestimmungschancen erhöhen und zum Abbau der Benachteiligung beitragen. Reale Integration und Beteiligung an kulturellen und politischen Prozessen muss bewusst gestaltet werden. Dies wurde den Teilnehmenden in diesem Seminar klar.”