von Sabine Giehle
Eine Woche für die Zukunft
Die Zukunftswerkstatt begann mit einer Bestandsaufnahme: Was stört euch an Wilhelmshaven? Was sollte dringend verändert werden? Jeweils zwei Tage lang arbeiteten die Referent*innen Diana Schmack und Hendrik Margner mit je rund zwei Dutzend Schüler*innen der neunten Klassen zweier Wilhelmshavener Oberschulen. Die Zukunftswerkstätten der Volkshochschule Wilhelmshaven waren Teil der Projektwoche der Schulen und wurden vom Jugendparlament der Stadt unterstützt.
Kritikpunkte und Wünsche sammeln
Zum Auftakt wurde im Plenum gesammelt, was den jungen Menschen an ihrer Stadt nicht gefällt. Zusammen kam eine lange Liste an größeren und kleineren Ärgernissen. Dazu konnten die Jugendlichen in einer zweiten Runde ihrer Fantasie freien Raum lassen: Was wünsche ich mir von meiner Stadt?
Es kam einiges zusammen: Die Schulen sollten besser ausgestattet werden, Klassenräume und sanitäre Anlagen müssten dringend renoviert werden, das Freizeitangebot wäre verbesserungswürdig und Wilhelmshaven sollte nachhaltiger und ökologischer werden. „Umwelt war ein ganz großes Thema. Die Jugendlichen wünschten sich zum Beispiel Blumenwiesen für die Wildbienen, weil ihnen das drohende Aussterben der Bienen zu Herzen ging“, erklärt Diana Schmack.
Verbesserungen vorschlagen
Es gab also viel Stoff für den zweiten Tag. Denn hier mussten die Teenager abwägen und klären, welche ihrer Wünsche realistisch sind und Chancen auf eine Umsetzung haben könnten.
In kleinen Teams widmeten sich die Jugendlichen je einem Thema intensiver: Die Modernisierung von Schulen, Umwelt und Klima, Kultur und Freizeit, der Personennahverkehr, aber auch die Stadtgestaltung waren wichtige Bereiche, in denen die jungen Wilhelmshavener Verbesserungen sehen wollten. Für Diana Schmack war das eine positive Erfahrung: „Ich war überrascht, wie interessiert die Teenager an ihrer Umgebung sind und wie sie sie wahrnehmen. Wenn es konkret um Wilhelmshaven geht, sind alle ganz engagiert und wissen, was sich ändern muss.“
Zusammenleben praktizieren
Wie sich besser zusammenleben lässt, praktizierten die Jugendlichen dann gleich selbst: „Am Anfang waren einige noch nicht so gut in die Gruppe integriert, weil sie noch nicht so lange in Deutschland leben und auch die Sprache noch nicht so gut beherrschen. Doch das Problem bestand nicht lange. Die anderen nahmen sie mit, sodass auch sie sich einbringen konnten“, erinnert sich Schmack. „Dafür war das Projekt sehr gut.“ Dieses Thema kam dann auch gleich auf die Wunschliste: Die Jugendlichen wünschten sich für die Geflüchteten und Neuankömmlinge einen Treffpunkt in Wilhelmshaven, an dem sie sich austauschen und Deutsch lernen können.
Mit Argumenten überzeugen
Die Teenager suchten Lösungen und berieten sich, mit welchen Argumente sie überzeugen könnten und wie sie diese in der Abschlussveranstaltung präsentieren können. „Wir übernahmen die Rolle der Gegenrede, damit sie üben und an ihrer Argumentation feilen konnten“, erinnert sich Diana Schmack. „Am Anfang war das ein bisschen schwierig, aber die Jugendlichen wurden nach und nach richtig gut.“
Jedes Team fertigte ein Plakat mit den priorisierten Problemen und den angestrebten Lösungen an. Auf Karteikarten wurden die Argumente festgehalten und das Briefing der Gruppensprecher*innen vorbereitet. Schließlich galt es, am Freitag nicht nur ein Publikum, sondern auch die eingeladenen Politiker*innen zu überzeugen.
Schulübergreifend zusammenarbeiten
Am vierten Tag wurden die beiden Zukunftswerkstätten zusammengelegt: Die Schüler*innen der Marion-Dönhoff-Schule und der Oberschule Stadtmitte arbeiteten von nun an zusammen. Schulübergreifend wurden Teams nach ihren Interessengebieten zusammengestellt. Das war nicht schwierig, denn beide Klassen hatten sich unabhängig voneinander für die gleichen Themengebiete ausgesprochen und diese vorbereitet.
Für jeden der fünf Bereiche wählten die Teenager aus ihren Reihen zwei bis vier Sprecher*innen aus, die sich mit den vorab gesammelten Argumenten der Diskussion mit den Politiker*innen stellen sollten. „Nicht alle glaubten daran, dass sie am nächsten Tag tatsächlich echten Politikerinnen und Politikern gegenübersitzen würden“, erinnert sich Diana Schmack. „Aber als sie dann den großen Saal der Volkshochschule sahen, waren sie doch sehr beeindruckt.“
Mit politischen Entscheidern diskutieren
Am Freitag war es dann soweit: Die Jugendlichen präsentierten in einer Auftaktveranstaltung zur „Langen Nacht der Volkshochschulen“ ihre Vorstellungen von einer besseren Stadt. Zur Diskussion geladen hatte die Volkshochschule den Ratsvorsitzenden der Stadt, Stefan Becker, und die SPD-Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller. In fünf Runden stellten die jungen Gruppensprecher*innen die jeweiligen Anliegen ihrer Teams vor und diskutierten mit den Politiker*innen darüber. Tim Tjettmers von der vhs Wilhelmshaven übernahm dabei auf Wunsch der Jugendlichen die Moderation.
Diana Schmack, Dozentin im Rahmen des vhs-Projekts an der vhs WilhelmshavenAuf beiden Seiten gab es Aha-Effekte. Die Jugendlichen haben konkret erfahren, wie Politik funktioniert. Sie konnten verstehen, dass nicht alles, was wünschenswert ist, einfach umzusetzen ist. Aber sie haben auch erfahren, dass sie manches durchsetzen können, was sie sich wünschen.
Besonders am Herzen lag den jungen Menschen das Thema Klima- und Umweltschutz: Wilhelmshaven sollte zum Beispiel mehr auf Solar- und Windkraft setzen und mehr Bäume pflanzen. Anschaulich und mit Beispielen aus ihrem Alltag begründeten sie ihre Wünsche für die Zukunft: Schulgebäude sollten saniert, Radwege verbessert und sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder geschaffen werden. Die Jugendlichen wünschten sich zudem einen Fahrradverleih und eine bessere, umweltfreundliche Beleuchtung der Straßen. Ein wichtiges Anliegen war auch die Verbesserung des Personennahverkehrs – und mehr Mülleimer wurden gefordert, damit Zigarettenkippen und Müll nicht länger die Wege und Straßen verschandeln.
Positive Resonanz
„Ich würde mir wünschen, dass es noch viel mehr solcher Veranstaltungen geben würde“, erklärte der Ratsvorsitzende Stefan Becker im Interview mit dem Lokalradio. Mit dieser Abschlussveranstaltung sollte das Projekt nicht enden: Becker machte sich während der Veranstaltung reichlich Notizen. Auch wenn er betonte, dass der Stadt in vielen Fällen enge finanzielle Rahmen gesetzt seien, wolle er die Vorschläge der Jugendlichen doch mit in die entsprechenden Ausschüsse des Stadtparlaments nehmen. Auch einige Fraktionen der Stadt luden die Teilnehmer*innen der Zukunftswerkstätten zu einem Gedankenaustausch ein.
„Auf beiden Seiten gab es Aha-Effekte“, resümiert Diana Schmack. „Die Jugendlichen haben konkret erfahren, wie Politik funktioniert. Sie konnten verstehen, dass nicht alles, was wünschenswert ist, einfach umzusetzen ist. Aber sie haben auch erfahren, dass sie so manches durchsetzen können, was sie sich wünschen.“
Hoffnung auf Umsetzung können sich die jungen Leute zum Beispiel für ihre Verkehrsthemen machen: Die Verkehrsbetriebe der Stadt erklärten sich spontan bereit, die Ideen der Jugendlichen mit ihnen zu diskutieren.