von Katharina Reinhold
Die Abendakademie und Volkshochschule Mannheim bildete in einer Seminarwoche im Frühjahr 2015 sechs junge Menschen mit Behinderungen zu Inklusionsbotschafterinnen und -botschaftern aus. Sie führen nun Informationsveranstaltungen über Inklusion und die Behindertenrechtskonvention der UN für Schülerinnen und Schüler, Studierende und andere Interessierte durch.
Ingo Tirnitz, SeminarleiterUnser Ansatz ist eher ungewöhnlich, weil das Thema Inklusion ganz oft von nicht behinderten Menschen erklärt wird. Es ist wichtig, dass unsere Menschen lernen, als Inklusionsbotschafter aufzutreten und zu zeigen, dass sie das auch erklären können.
Gleich und doch verschieden
„Wir sind alle gleich, aber doch verschieden. Und trotzdem haben wir die gleichen Rechte. Das ist der Gedanke, den wir weiterbringen wollen und warum wir diese jungen Leute zu Inklusionsbotschaftern ausbilden möchten“, sagt Markus Upmann von der Mannheimer Abendakademie und Volkshochschule, der das Projekt initiiert hat. Gemeinsam mit dem Arbeitserzieher Ingo Tirnitz und der Heilerziehungspflegerin Dorothea Scharrer leitete er die Seminarwoche mit den jungen Leuten mit Lernschwierigkeiten im Seminarhaus der VHS München am Starnberger See.
Seminarwoche in Bayern
Die sechs jungen Erwachsenen, davon 2 Frauen und 4 Männer, arbeiteten während der Seminarwoche vom 27. April bis 3. Mai 2015 intensiv zusammen. Sie lernten das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-Behindertenrechtskonvention) kennen und setzten sich mit ihren Inhalten und mit dem Thema Inklusion auseinander.
Sie erprobten verschiedene Möglichkeiten und Methoden, ein Thema in der Praxis vorzustellen. Dabei lernten sie, selbstbewusst vor Publikum aufzutreten, Absprachen einzuhalten und im Team zu arbeiten. Zudem schrieben sie Gedichte und Lieder, übten Rollenspiele ein und präsentierten mit Moderationskarten und Plakaten. Sie wählten Aspekte der UN-Behindertenrechtskonvention aus, die ihnen besonders wichtig waren. Teilnehmer Marcel sagt: „Bei Inklusion reden wir über Menschen, die eine Behinderung haben, dass die auch normal respektiert werden sollen in der Gesellschaft. Selbstbestimmung ist ein Thema, das uns sehr am Herzen liegt“.
Die Gruppe war in München unterwegs, nahm an einer Stadtführung in Leichter Sprache teil und sprach mit dem Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung der Stadt München.
„Unser Ansatz ist eher ungewöhnlich, weil das Thema Inklusion ganz oft von nicht behinderten Menschen erklärt wird. Es ist wichtig, dass unsere Menschen lernen, als Inklusionsbotschafter aufzutreten und zu zeigen, dass sie das auch erklären können“, sagte Seminarleiter Ingo Tirnitz.
Am Ende der Woche hatten die Teilnehmenden Präsentationen erarbeitet und Selbstbewusstsein hinzugewonnen. Dazu sagt Ingo Tirnitz: „Die Leute sollten lernen, frei zu sprechen vor anderen und lernen, dass sie etwas können. Wie wir im Seminar festgestellt haben, ist das am Anfang ein großes Problem gewesen: ‚Ich kann doch gar nichts, ich bin doch behindert, mir hört keiner zu‘. Und mit der Zeit haben wir festgestellt, dass die Leute selbstbewusster werden: ‚Ich kann das, ich weiß was ich will und das erzähle ich dann auch‘“.
Filmdokumentation und Informationsveranstaltungen
An zwei Tagen wurde das Seminar von einem Filmteam begleitet. Dabei entstand die etwa 50-minütige Seminardokumentation „Botschafter der Inklusion“ der Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien.
Nach der einwöchigen Ausbildung fanden diverse Veranstaltungen statt, auf denen die neuen Inklusionsbotschafterinnen und -botschafter über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und über Inklusion aufklärten. Zielgruppe waren vor allem Schülerinnen und Schüler, Studierende sowie Erzieherinnen und Erzieher.
Die Botschafterinnen und Botschafter erklärten die gesellschaftliche Entwicklung von der Exklusion zur Inklusion und die wichtigen Rechte der UN-Behindertenrechtskonvention. Sie diskutierten mit den Teilnehmern im Anschluss in Kleingruppenarbeiten. Auch Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm über die Seminarwoche wurden gezeigt. Zwei der Inklusionsbotschafter trugen ihr selbstgeschriebenes Lied zum Thema Selbstbestimmung vor.
Der Empfang für die Inklusionsbotschafterinnen und -botschafter war stets herzlich. Sie gewannen im Verlauf jeder Veranstaltung und insgesamt während der Veranstaltungsreihe an Sicherheit und Selbstvertrauen.
„Insgesamt ist das Projekt sehr gut gelungen. In den bisher 13 Veranstaltungen in Schulen und Weiterbildungseinrichtungen bekamen wir nur gutes Feedback“, sagt Markus Upmann abschließend. „Es wurde besonders herausgehoben, dass Menschen mit einer (geistigen) Behinderung das Thema darstellen und nicht nur über Menschen mit Behinderung besprochen wird. Dieses Projekt ist durchaus auf andere Einrichtungen übertragbar.“
Weitere Inklusive Lernangebote der Abendakademie und Volkshochschule Mannheim
Die Mannheimer Abendakademie beschreitet schon seit über 30 Jahren den Weg der Inklusion. In Kooperation mit der Gemeindediakonie und der Lebenshilfe in Mannheim wurde das Programm „Barriere-frei lernen“ entwickelt. Dieses richtet sich vor allem an Menschen mit geistiger Behinderung.
Aus diesem Spartenprogramm entstanden weitere inklusive Projekte (u.a. ein Theaterprojekt für Menschen mit und ohne Behinderung). Aktuell laufen einige inklusive Kurse, in denen Menschen mit und ohne Einschränkung zusammen lernen (u.a. „Zaubern“ und „Das Spiel auf der Veeh-Harfe“).