von Katharina Reinhold
Fluchtursachen
Millionen von Menschen weltweit sind auf der Flucht. Aus unterschiedlichen Gründen sehen sie sich dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Viele von ihnen suchen Zuflucht in Europa, doch die politischen Entscheidungsträger*innen in der EU und in Deutschland sind sich nicht einig, wie man mit den damit verbundenen Herausforderungen am besten umgeht.
Zum Einstieg in das Seminarthema testeten die 71 jungen Teilnehmer*innen im Alter von 15 bis 17 Jahren ihr Wissen zum Thema „Flucht und Asyl” mit einem Quiz. Zahlen und Fakten rund um Fluchtbewegungen, Herkunfts- und Zielländer sollten eingeordnet werden. In Kleingruppen beschäftigten sie sich anschließend anhand einzelner Länderbeispiele mit den Gründen, aus denen Menschen ihre Heimat verlassen. Die Referent*innen ergänzten die gewonnenen Erkenntnisse in der abschließenden Diskussion.
Zudem war ein aus Syrien geflüchteter junger Mann als Gast zu der Veranstaltung eingeladen worden. Er berichtete den jungen Erwachsenen, warum er sein Heimatland verlassen musste, und erzählte von seiner langen Flucht nach Europa und von seinem heutigen Leben in Deutschland.
Martin Konrath, vhs im WBZ IngelheimDas Gespräch mit dem Geflüchteten war ein sehr wertvoller Programmpunkt für die Teilnehmer*innen. Sie stellten ihm viele Fragen zu seiner Geschichte und seinen aktuellen Lebensumständen und waren nachhaltig beeindruckt.
EU-Flüchtlingspolitik
In Vorbereitung auf das Planspiel beschäftigten sich die Teilnehmer*innen am zweiten Veranstaltungstag mit der EU, ihrer Geschichte und ihren Institutionen. Anhand von Beispielen wurde die Asyl-, Migrations- und Flüchtlingspolitik der EU thematisiert. Ausgangspunkt dafür waren Fragen der Teilnehmer*innen und mitgebrachte Zeitungsschlagzeilen, die gemeinsam mit den Referent*innen eingeordnet und besprochen wurden. So wurden zum Beispiel die Dublin-Verordnung und die aktuellen Fluchtrouten nach Europa thematisiert. Die Teilnehmenden befragten im Anschluss in der Ingelheimer Innenstadt Bürger*innen zu ihrer Meinung zur EU und kamen mit ihnen ins Gespräch.
Umsetzung eines Planspiels
Höhepunkt der Veranstaltung war ein Planspiel. Das Szenario sah folgendermaßen aus: Auf einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der EU soll eine Resolution zum Thema „Asyl- und Flüchtlingspolitik” beschlossen werden. Die Politiker*innen sollen besprechen, wie den aktuellen Herausforderungen im Zusammenhang mit den anhaltenden Fluchtbewegungen politisch begegnet werden kann. Ziel des Treffens: Die Vorstellung einer gemeinsamen politischen Erklärung (Resolution) auf einer Pressekonferenz.
Jede*r Teilnehmer*in erhielt zu Beginn eine Karte mit einem Rollenprofil, das relativ offen formuliert war, sodass es viel Gestaltungsspielraum für alle gab. Nun hieß es, die Rollen und Standpunkte auszuarbeiten. Dafür waren weitere Recherchearbeiten nötig. Während der Umsetzung des Planspiels zeigten sich dann die unterschiedlichen Interessen der Vertreter*innen der EU-Staaten, die sich zum Teil konträr gegenüberstanden. Den Teilnehmer*innen wurde klar, wie schwierig es ist, in einem Europa mit so unterschiedlichen Positionen gemeinsame Entscheidungen zu treffen, die von allen getragen werden können.
Der Gruppe gelang es dennoch, eine Umarbeitung der Dublin-III-Verordnung hinsichtlich des Verteilungsschlüssels von Geflüchteten auf die EU-Länder zu erarbeiten, in dem das BIP und die Bevölkerungszahl eines Landes stärker einbezogen werden sollten. Weiterhin forderten sie eine finanzielle Stärkung der Entwicklungspolitik. Kontrovers wurde über die Sicherung der EU-Außengrenzen sowie die Unterscheidung von Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen diskutiert.
Lernziele der Veranstaltung
Ein Ziel des Projekts war es, den jungen Menschen Kenntnisse zum Thema „Flucht und Asyl” zu vermitteln – und zwar sowohl in seinen globalen und europäischen Dimensionen als auch mit Bezug auf Deutschland. Besonders die Fluchtursachen und europäische Lösungsansätze im Bereich der Flucht-, Migrations- und Sicherheitspolitik standen dabei im Fokus. Mit der Planspiel-Methode wurden zwei Lernziele verknüpft: Die nachhaltige Wissensvermittlung über Strukturen und Entscheidungsabläufe auf EU-Ebene und die Fähigkeit der Teilnehmer*innen, selbst angemessene Urteile in Hinblick auf europäische Entwicklungen fällen zu können. In Feedbackgesprächen wurde deutlich, dass diese Ziele durch die Veranstaltung gut erreicht werden konnten.
Martin Konrath, vhs im WBZ IngelheimDie Teilnehmer*innen waren sehr motiviert und ernsthaft bei der Sache. Sie identifizierten sich stark mit den Rollen und Veranstaltungsinhalten. Und sie nahmen eine Menge an neuen Erkenntnisse und eine starke Sensibilität für das facettenreiche Thema „Flucht und Asyl” mit.
Positives Fazit
Besonders gut kam das Planspiel an, da die Teilnehmer*innen sich selbstständig in die Thematik einarbeiten, eigene Akzente setzen und ihr Wissen dann spielerisch erproben konnten. „Wir streben ein nachhaltiges Lernen und das Verstehen von komplexen Thematiken an. Dafür ist die praktische Umsetzung in Form von ‚Learning by Doing‘ im Rahmen des Planspiels ideal“, sagt Martin Konrath. Auch das Gespräch mit dem jungen Geflüchteten habe die Teilnehmer*innen nachhaltig beeindruckt und teilweise zu neuen Einstellungen bewogen, wie in den Reflexionsgesprächen deutlich wurde. Die Rückmeldungen der Teilnehmer*innen und der Referent*innen waren überwiegend positiv, sodass die Veranstaltung in ähnlicher Form auch weiter Teil des Jugendbildungsangebotes der Fridtjof-Nansen-Akademie der vhs im WBZ Ingelheim bleiben wird.