Mit der Forderung nach Aufbau einer kohärenten Bildungskette haben die Volkshochschulen und ihre Verbände nach 2015 auf den vermehrten Zuzug von Zuwanderern und Geflüchteten reagiert. Dieser Forderung lag und liegt die Überzeugung zu Grunde, dass gesellschaftliche Integration nur gelingen kann, wenn Menschen passgenaue Bildungsangebote erhalten, die ihnen über den Spracherwerb hinaus auch eine Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen. Wie Spracherwerb und berufliche Qualifizierung am besten verzahnt werden können, war deshalb die Ausgangsfrage einer Reihe von Sondierungstagungen, zu der sich vhs-Programmverantwortliche der relevanten Fachbereiche trafen. Rund 400 Personen aus zehn Bundesländern nahmen insgesamt an den fünf regionalen Sondierungstagungen in Neumünster, Mainz, München, Hannover und Essen teil. Dabei ging es im Kern um drei Fragestellungen:
- Wie können sich Deutschförderung und berufliche Bildung optimal ergänzen?
- Wie geeignet sind die gängigen Kursformate, um gesellschaftliche Integration nachhaltig zu fördern?
- Wie können sich Volkshochschulen als größter Bildungsträger im Integrationsbereich bestmöglich aufstellen?
Die Einzelveranstaltungen basierten auf einem Tagungskonzept der beiden Bundesarbeitskreise Sprache sowie Arbeit und Beruf und dem Referat Integration / Sprachen beim DVV. Das Tagungsmotto „Sprache trifft Beruf“ pointierte die Entwicklung, mit der sich Volkshochschulen in der Praxis konfrontiert sehen. Integration wird zum Querschnittsthema, das das Arbeiten an der Schnittstelle verschiedener vhs-Programmbereiche dynamisiert und nach abgestimmten Konzepten und Kursformaten verlangt. Die Volkshochschulen und ihre Verbände beziehen dabei auch den Programmbereich Grundbildung und Schulabschlüsse mit ein und haben wiederholt an die Politik appelliert, gerade Geflüchtete beim Nachholen von Schulabschlüssen systematischer zu unterstützen. Denn fehlende Schulabschlüsse und Defizite im Gebrauch der deutschen Schriftsprache erschweren maßgeblich den Einstieg in existenzsichernde Arbeit.
Standardkurse sind zu wenig flexibel
Aus Sicht vieler vhs-Programmplaner und Lehrkräfte werden die gängigen Kursformate KompAS („Kompetenzfeststellung, frühzeitige Aktivierung und Spracherwerb“, Bundesagentur für Arbeit) und und DeuFöV („Berufsbezogene Deutschsprachförderung“, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) den Anforderungen bisher nicht ausreichend gerecht.
Das wöchentliche Stundenvolumen sei zu hoch, die Kursstruktur vor allem bei KompAS zu kompakt und zu unflexibel. Für viele Teilnehmende stelle dies eine Überforderung dar, so die Kritik. Dies erkläre die Vielzahl an Kursabbrüchen oder die relativ niedrigen Bestehensquoten.
In der Frage nach sinnvoller Verzahnung von Spracherwerb und beruflicher Qualifizierung bewerten die vhs-Fachleute die beiden Kursformate unterschiedlich. Noch besteht keine klare Einigkeit darüber, ob ein ausführlicher Spracherwerb die Voraussetzung für den schrittweisen Einstieg in berufsbezogene Sprachförderung und in die berufliche Praxis darstellt. Während KompAS den Integrationskurs mit einschließt und betriebliche Erprobungsmaßnahmen innerhalb der Maßnahme vorsieht, versteht sich das modulare DeuFöV-System als reiner Sprachkurs, der allerdings mit anderen Programmen zur Arbeitsförderung kombiniert werden kann.
Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass der Spracherwerb Zeit braucht, eine solide Qualifizierung Vorrang haben sollte vor einer zu schnellen Vermittlung in Arbeit. Insbesondere die DaZ-Experten an Volkshochschulen empfehlen allerdings auch einen frühzeitigen Zugang zu berufsbezogenen Lernangeboten, damit Lernende in diesem Kontext die praktische Anwendung ihrer Deutschkenntnisse trainieren können.
vhs in Gevelsberg baut vorbildliches Förderzentrum auf
Einig sind sich die Volkshochschulen in der Einschätzung, dass betriebliche Praktika sowohl den sprachlichen als auch den beruflichen Qualifizierungsprozess fördern können. Die kommunale Verankerung und die gute Vernetzung mit unterschiedlichen Akteuren vor Ort versetzen Volkshochschulen in die Lage, Sprache und Beruf bestmöglich zu verzahnen und flexible, zielgruppengerechte Angebote zu entwickeln. Gute Praxisbeispiele gibt es hier bereits, beispielsweise an der Volkshochschule Ennepe-Ruhr-Süd (NRW). KompAS-Kurse werden dort erfolgreich angeboten. vhs-Direktor Achim Battenberg sagt jedoch: „KompAS ist ein Angebot von der Stange, es gibt Besseres.“
In Kooperation mit dem Jobcenter hat seine vhs ein Förderzentrum Sprache und Beruf aufgebaut, das zum Vorbild auch für andere Kommunen in der Region geworden ist. Auf Basis einer individuellen Kompetenzfeststellung werden Geflüchtete in passgenaue Deutschkurse oder Grundbildungsangebote vermittelt und an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt herangeführt. Mehr als 300 Personen hat das Förderzentrum bereits in ihrem Qualifizierungsprozess begleitet und zum Teil in reguläre Beschäftigung vermittelt. Berufsbezogene Praktika sind sowohl in lokalen Unternehmen als auch in einer der vhs-eigenen Werkstätten möglich.
Wenn Zugewanderte über mehrere Monate einem zeitintensiven Kursbetrieb ohne Praxisbezug unterworfen werden, stößt das in der vhs-Welt allenthalben auf Kritik. Viele Lehrkräfte berichten indes, dass auch Zugewanderte vielfach die Erwartung hätten, dass ein Kursbesuch sie quasi automatisch mit allem notwendigen Wissen ausstattet, damit der Einstieg in den Arbeitsmarkt gelingt.
Die Sondierungstagungen haben außerdem gezeigt, dass die stärker berufsbezogene Ausrichtung der Bildungsangebote für Zugewanderte auch erhöhte Anforderungen an DaZ-Kursleitende stellt. Aus Sicht vieler Volkshochschulen fehlt es derzeit noch an DaZ-Lehrkräften mit berufsbezogener Ausrichtung. Entsprechende Fortbildungsangebote sind stark nachgefragt und nicht überall in ausreichender Zahl vorhanden.
Clusterübungen helfen bei der Selbsteinschätzung
Viele Volkshochschulen haben bereits begonnen, den sprachlichen Kompetenzerwerb stärker mit beruflicher Qualifizierung zu verzahnen. Die Teilnehmenden der Sondierungstagung konnten sich in Clusterübungen zunächst ein Bild davon machen, wo innerhalb der (über-)fachlichen Entwicklungsphase sich ihre vhs und andere Einrichtungen befinden. In Foren wurde über konkrete Projektbeispiele (zum Beispiel Angebote für junge Flüchtlinge, Fachsprachliche Qualifizierungen, Anerkennungsberatung und Kompetenzbilanzierung) diskutiert und über Fördermöglichkeiten und weitere Schritte, wie beispielsweise die Vorbereitung auf eine AZAV-Zertifizierung, beraten.
Die bisherigen Rückmeldungen der Teilnehmenden bestätigen: Die Tagungsreihe ist ein Erfolg. Die Sondierungen werden als hilfreich erachtet, um die fachbereichsübergreifenden Diskussionen zu dynamisieren und die Volkshochschulen im Themenfeld Integration zukunftsfähig zu positionieren.
Christina Bruhn (Landesverband Schleswig-Holstein) ist Sprecherin des BAK Sprachen.
Joachim Rattinger (Bayerischer Volkshochschulverband) ist Sprecher des BAK Arbeit und Beruf.