Seit 2015 haben auch die Volkshochschulen ihre Integrationsangebote vermehrt auf Menschen ausgerichtet, die zu uns nach Deutschland geflohen sind. Als unmittelbare Reaktion wurden kurzfristig Förderprogramme zur sprachlichen Erstorientierung aufgelegt. Volkshochschulen betrachten es als zentralen Bestandteil des Bildungsangebots, Geflüchteten neben dem Vermitteln von Sprache auch Orientierungshilfen im neuen Umfeld zu geben. In politisch so unterschiedlich regierten Bundesländern wie Baden-Württemberg, Berlin und Rheinland-Pfalz wurden in Zusammenarbeit mit den Volkshochschulen bzw. ihren Verbänden landesweite Kurse zur Werteorientierung aufgelegt, die einen niedrigschwelligen Einstieg in das Verständnis des Rechts- und Politiksystems in Deutschland bieten sollen. Dabei sind die Kurse so konzipiert, dass die Vermittlung rechtsstaatlicher Prinzipien in der jeweiligen Herkunftssprache der Geflüchteten im Vordergrund steht. Die inhaltliche Ausgestaltung soll Fachleuten aus Justiz und Verwaltung obliegen.
Ein gemeinsamer Wertedialog auf Augenhöhe ist trotz der hohen sprachlichen Anforderungen von Anfang an Ziel eines gelingenden Integrationsprozesses und eine hilfreiche Grundlage für den Orientierungskurs im Rahmen der weiterführenden sprachlichen Integration.
Es berichten Michael Lesky, Manjiri Palicha und Tammo Grabbert.
Baden-Württemberg: Richtig. Ankommen. Rechtsstaatsunterricht für Flüchtlinge an Volkshochschulen
Die Diskussion um Leitkultur und Wertevermittlung beschäftigt auch die Volkshochschulen in Baden-Württemberg. Bereits 2016 gab es im organisatorischen Bereich so genannte „Verhaltensleitlinien“, mit denen die Regeln und Informationen für das Zusammenleben in der Volkshochschule klar werden. Dies war ein erster Ansatz zur niedrigschwelligen Vermittlung grundlegender Werte. Explizit aufgegriffen wird Wertevermittlung speziell im Orientierungskurs – damit aber nur für Geflüchtete mit guter Bleibeperspektive.
Um alle Flüchtlinge und Asylbewerber bereits zu einem frühen Zeitpunkt nach ihrer Ankunft in Deutschland zu erreichen, wurde 2016/2017 ein niedrigschwelliges Kursangebot in der vorläufigen und in der Anschluss-Unterbringung konzipiert. Vermittelt werden Grundzüge der Rechtsordnung und des Zusammenlebens. Das Kursangebot erwuchs aus einer Kooperation von Volkshochschulverband Baden-Württemberg und Justizministerium des Landes und startete im Juli 2017.
In vier Unterrichtseinheiten sollen Flüchtlinge und Asylbewerber Grundwerte unserer pluralistischen Gesellschaft wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Religionsfreiheit und Gleichberechtigung von Frauen und Männern kennen lernen: aufgrund der knappen Zeit jedoch im Rahmen einer ersten Orientierung. Die diskursive Begegnung auf Augenhöhe steht im Mittelpunkt. Um Niederschwelligkeit zu gewährleisten, werden die Kurse in sprachhomogenen Gruppen durchgeführt und gedolmetscht. Lehrkräfte sind auf freiwilliger nebenberuflicher Basis tätige Richter*innen sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Landesdienst. Auf diese Weise begegnen die Teilnehmenden direkt Menschen, die unseren Rechtsstaat repräsentieren. Dies drückt den Teilnehmenden gegenüber Wertschätzung aus und trägt wechselseitig zur Vertrauensbildung bei. Die Kursleitenden werden in Fortbildungen auf ihre Aufgabe vorbereitet.
Berlin: Im Dialog mit Geflüchteten
Im Mai 2015 beschloss der Berliner Senat einen Masterplan für Integration und Sicherheit, in dessen Rahmen mit Geflüchteten ein Dialog über „Werte, Normen und Prinzipien des demokratischen Zusammenlebens“ geführt werden soll. Neben diesem Austausch entwickelten die Berliner Volkshochschulen in Zusammenarbeit mit der Justizverwaltung den multimedialen, interaktiven Workshop „Willkommen im Rechtsstaat – Willkommen in Deutschland“.
Dieser kommt nach einer kurzen Test- und Pilotphase flächendeckend in den Deutschkursen für Geflüchtete zum Einsatz. Im Jahr 2016 fanden berlinweit insgesamt 81 Workshops in neun Stadtbezirken statt. Für 2017 wurden 120 Workshops geplant.
Die Workshops werden von etwa 200 Richterinnen, Richtern sowie Staatsanwälten durchgeführt. Auch hier stehen der Austausch zu einem frühen Zeitpunkt nach Ankunft in Deutschland sowie die Niederschwelligkeit im Vordergrund, weswegen die Inhalte in die jeweiligen Herkunftssprachen gedolmetscht werden. Mit Powerpoint-Präsentationen, Erklärvideos und Diskussionen werden im ersten Schritt Grundrechte aus dem Grundgesetz vorgestellt, im zweiten konkrete Rechtsfälle von den Teilnehmenden „gelöst“ und anschließend mit der Leitung des Workshops ausgewertet. Die Resonanz der Teilnehmenden auf diese konkrete und authentische Aufklärung über ihre Rechte und Pflichten ist bislang sehr positiv. Dies ist aber nur ein Baustein im Themenfeld.
Parallel zu diesen Maßnahmen entwickeln die Berliner Volkshochschulen Arbeitsblätter in Kooperation mit dem Hueber Verlag und mit fachlicher Unterstützung von Experten aus LGBTI-Organisationen, die sich für lesbische, schwule, bi-, trans- und intersexuelle Menschen einsetzen. Diese Arbeitsblätter sollen im Deutschunterricht eine Diskussion um Gendergerechtigkeit, aber auch um Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung anstoßen. Ziel ist es, Geflüchtete selbst gegen Homo-, Trans- und Inter*feindlichkeit zu schützen und für Vielfalt zu werben.
Rheinland-Pfalz: „Unsere Werte gemeinsam leben“
Auch in Rheinland-Pfalz startete – im Rahmen einer Kooperation des vhs-Landesverbandes mit dem Ministerium der Justiz – bereits im Dezember 2015 eines der ersten Rechtskundeprojekte für Geflüchtete.
„Je früher wir uns der Menschen annehmen, desto besser gelingt Integration“, sagte der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin im Rahmen der 100. Unterrichtseinheit der Veranstaltungsreihe „Unsere Werte gemeinsam leben“ in der vhs Mainz.
Vom Verband der Volkshochschulen von Rheinland-Pfalz wurde ein didaktisches Konzept entwickelt, das einen inhaltlichen Leitfaden enthält: mit methodischen Angeboten für die Lehrkräfte, Power-Point-Präsentationen (inklusive Übersetzungen ins Englische und Arabische) sowie Handouts mit Erklärungen und Links zu weiterführenden Informationen für die Teilnehmenden. Zudem werden ergänzende Materialien zur Verfügung gestellt, die über die Rechte bei Polizeieinsätzen oder zu Rat und Hilfe bei Gewalt informieren.
Die Veranstaltungsreihe besteht aus vier Modulen: „Unser Staat – Aufbau und Prinzipien“, „Unsere Werte – Die Grundrechte“, „Verbotenes Handeln – Straftaten und ihre Folgen“ sowie „Verträge im Alltag – Rechte und Pflichten“.
Die Kurse, an denen Geflüchtete freiwillig teilnehmen können, finden in Räumen der Volkshochschule bzw. in einer Asylunterkunft statt. Die Gruppen setzen sich entweder aus sprachhomogenen Teilnehmenden eines Deutschkurses zusammen oder werden extra zu diesem Zweck gebildet. Sie werden von Dolmetschern sowie Programmverantwortlichen bzw. Deutschkursleitenden der jeweiligen Volkshochschule begleitet. Als Referentinnen und Referenten stehen aus einem eigens für dieses Projekt gebildeten Pool des Justizministeriums ausgebildete Fachleute zur Verfügung. Diese übernehmen ehrenamtlich die Kursleitung an den Volkshochschulen. Mittlerweile wurden die Wertekurse in Rheinland-Pfalz an 13 Volkshochschulen angeboten. Alles in allem wurden dabei bisher rund 100 Module und 200 Unterrichtseinheiten erteilt, bei insgesamt ca. 2.000 Belegungen (Stand August 2017). Die Resonanz ist durchweg positiv.
Über die Autor*innen
Michael Lesky ist Bildungsmanager „Politik – Gesellschaft – Umwelt“ beim
Volkshochschulverband Baden-Württemberg e.V., Manjiri Palicha arbeitet bei der Geschäftsstelle Integration der Berliner Volkshochschulen und Tammo Grabbert ist im Verband der Volkshochschulen von Rheinland-Pfalz e. V. zuständig für den Bereich Asyl und Geflüchtete.