Die ARD-Themenwoche 2021 "Stadt. Land. Wandel" möchte Denkanstöße geben, wie Transformation in den Regionen und in Deutschland gelingen kann. Und sie möchte Menschen dazu anregen, sich aktiv an der zukunftsfähigen Gestaltung des eigenen Lebensraums zu beteiligen. Die 900 Volkshochschulen in Deutschland sind offizieller Kooperationspartner und flankieren die ARD-Themenwoche durch Bildungsangebote und Initiativen.
Die DVV-Redaktion hat im Rahmen der ARD-Themenwoche mit Volkshochschul-Mitarbeiter*innen in Stadt und Land gesprochen, die ihre Perspektive auf das Thema Strukturwandel darlegen. Hier folgt das vierte Interview mit mit Michael Kriese, Leiter der vhs Kyffhäuserkreis (Öffnet in einem neuen Tab) und Monique Keßler, Projektkoordinatorin des Modelprojektes "Bewegung und Begegnung im Quartier (BeBeQu)".
1. Wenn Sie das Stichwort „Gesellschaftlicher Wandel“ hören, was kommt Ihnen da in Bezug auf Ihre Situation vor Ort am ehesten in den Sinn?
Gesellschaftlicher Wandel drückt sich vielfältig aus. Eine kurze Antwort lässt sich am Besten in Stichworten geben: Älter werdende Gesellschaft, Verlagerung verschiedener Lebensbereiche und vor allem der Kommunikation ins Internet / in Social-Media-Kanäle, Einfluss der Digitalisierung auf immer größere Bereiche und damit einhergehend eine immer schnellere Entwicklungsgeschwindigkeit. Konkurrierende Lebensbereiche Stadt und ländlicher Raum – Abwanderung der Jungen, Veränderung der infrastrukturellen Voraussetzungen.
Inwieweit erwächst daraus eine Bildungsaufgabe (für Volkshochschulen)?
Volkshochschule ist gefordert bei den Themen gesellschaftlicher Zusammenhalt, Kommunikation, Vermittlung gesellschaftlicher und kultureller Werte, wie Respekt, Toleranz und Vielfalt. Hinzu kommen Grundbildung oder auch Gesundheitsbildung. Die Volkshochschulen sind der Ansprechpartner in der Region. Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion, mit unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen kommen zusammen und begeistern sich für Neues, pflegen den Austausch untereinander und den respektvollen Umgang miteinander.
Mit welchem Projekt/welchen Bildungsangeboten reagieren Sie gezielt auf diesen Bedarf (kurze Projektskizze, vorläufiges Fazit)?
Unsere vhs bietet verschiedene Formate an. Da sind vor allem Vorträge, Diskussionen, Lesungen oder auch Kursangebote zu kulturellen, geschichtlichen, gesundheitlichen oder allgemeinbildenden Themen. Großer Wert wird auf die Niedrigschwelligkeit der Angebote gelegt. Dazu gehören verschiedene Projektangebote für konkrete Zielgruppen, bspw. Senioren.
Das Projekt „BeBeQu – Bewegung und Begegnung im Quartier“ ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Thüringer Volkshochschulverband e. V., den Volkshochschulen Kyffhäuserkreis und Apolda, dem Landessportbund Thüringen e. V. und der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Thüringen e. V.
Körperlich aktive und Inaktive Senioren ab dem 60 Lebensjahr sollen sensibilisiert werden für die Themen Gesundheit, Bewegung und Lebensqualität. Es soll versucht werden in der Bürgerschaft akzeptierte Angebote und Strukturen zu etablieren, die für Bewegung und Begegnung im Lebensumfeld förderlich sind. Wobei besonders die Lebensumstände in benachteiligten kleinstädtischen Quartieren im Fokus stehen. Das Projekt wird in Artern sehr gut angenommen, die Zielgruppe ist dankbar für verschiedene Angebote und bringt sich sehr rege in Projektabläufe und Inhalte ein. Insbesondere unter den Bedingungen der Pandemie sind die Senioren äußerst dankbar.
Finanziert mit Mitteln des Freistaates Thüringen werden darüber hinaus Angebote zur psychischen Gesundheit. Aktuell werden Kurse angeboten in denen Laien geschult werden, die anderen Menschen in psychischen Notlagen Erste Hilfe leisten können – MHFA Mental Health First Aid. Zunächst für Vereine und Verbände, später auch für Firmen und Behörden und interessierte Bürger werden Schulungen angeboten.
Wie eng sind Sie dabei mit Ihrer Kommune verzahnt? Gab es einen kommunalen Auftrag an Sie? Welches Feedback haben Sie erhalten? Welche Unterstützung wünschen Sie sich?
Im Projekt BeBeQu gibt es großen Rückhalt innerhalb der Verwaltungsspitze der Stadt Artern. Die Projektmitarbeiterin Monique Keßler ist regelmäßig in Stadtratssitzungen zu Gast und formuliert Wünsche und Anregungen aus dem Projekt. Sowohl Bürgermeister und Stadträte sind interessiert an der inhaltlichen Ausgestaltung des Projekts. Die Unterstützung seitens der Stadt ist gegeben und auch die Netzwerkpartner vor Ort bspw. „Bürger für Artern“ und überregional: „BeuGe – Bewegung und Gesundheit im Alltag stärken“ sind aktiv bei der Umsetzung der Projektziele.
Welche spezifischen Herausforderungen stellen sich einer Volkshochschule im ländlichen Raum in Bezug auf strukturellen Wandel? Inwieweit prägen diese Ihr Angebot und Ihre Organisationsentwicklung?
Die Herausforderungen für Volkshochschule im ländlichen Raum sind sehr groß. Zum Mangel an Dozentinnen und Dozenten für ein vielfältiges Kursangebot und neue zeitgemäße Angebote, kommen Probleme beim ÖPNV in den ländlichen Regionen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können, insbesondere in den Abendstunden, schlicht die Kursorte nicht mehr erreichen. Dazu kommen Schwierigkeiten ansprechende Räumlichkeiten vorzuhalten. Schleppender Ausbau einer schnellen Internetverbindung verhindert oft die Nutzung von Onlineangeboten. Wobei eine Ambivalenz nach dem Wunsch nach Begegnung und Austausch zum einen und geringe Nutzungsmöglichkeiten von digitalen Medien besteht.
Aufgabe der vhs ist es diesen Spagat zu meistern. Das erfordert natürlich einen personellen und organisatorischen Mehraufwand und die Schaffung der technischen Möglichkeiten, um bspw. mit mobilen Endgeräten „durch das Einzugsgebiet zu reisen“.
Für die Gewinnung von Dozentinnen und Dozenten sind enorme Anstrengungen nötig. Wir versuchen mit angemessenen Honoraren, Unterstützung bei Fortbildungen und Qualifizierung und Nutzung von Synergieeffekten in der Zusammenarbeit mit umliegenden Volkshochschulen und vor allem mit dem Thüringer Volkshochschulverband dem Mangel entgegen zu wirken.