Die ARD-Themenwoche 2021 "Stadt. Land. Wandel" möchte Denkanstöße geben, wie Transformation in den Regionen und in Deutschland gelingen kann. Und sie möchte Menschen dazu anregen, sich aktiv an der zukunftsfähigen Gestaltung des eigenen Lebensraums zu beteiligen. Die 900 Volkshochschulen in Deutschland sind offizieller Kooperationspartner und flankieren die ARD-Themenwoche durch Bildungsangebote und Initiativen.
Die DVV-Redaktion hat im Rahmen der ARD-Themenwoche mit Volkshochschul-Mitarbeiter*innen in Stadt und Land gesprochen, die ihre Perspektive auf das Thema Strukturwandel darlegen. Hier folgt das dritte Interview mit Michael Widl-Stüber. Er ist Leiter des Stadtbereichs West an der Münchener Volkshochschule.
Wenn Sie das Stichwort „Gesellschaftlicher Wandel“ hören, was kommt Ihnen da in Bezug auf Ihre Situation vor Ort am ehesten in den Sinn?
Unmittelbar kommt bei „Gesellschaftlichem Wandel“ natürlich die Pandemie und ihre Folgen in den Sinn. Was den Kursbetrieb angeht, so ist es insbesondere der große Schub bei der Digitalisierung, der zuletzt unsere Arbeit nachhaltig verändert und beeinflusst hat.
In der Folge der Pandemie beobachten wir eine veränderte Nutzung öffentlicher Räume, Frei- und Grünflächen, Plätzen etc., die verstärkt von den Menschen aufgesucht werden. Allerdings nehmen wir dabei auch die negativen Auswirkungen wahr, wie z.B. eine zu starke Nutzung von ökologisch wertvollen Bereichen oder auch eine erhöhte Vermüllung im Lebensumfeld wie auch in Natur- und Grünflächen.
Bezogen auf die Landeshauptstadt scheint sich während der Pandemie der Druck durch Zuzug abgeschwächt zu haben, während der Nutzungsdruck mehr auf die Region durchschlägt. Weiterhin denken wir bei „Gesellschaftlichem Wandel“ an das starke Wachstum an den Stadträndern bzw. in den Zwischenstadtregionen, so z.B. im neuen Quartier Freiham oder der SEM Nord-Ost. Natürlich bewegt uns auch der Klimawandel und seiner Folgen. Die Anpassungsaktivitäten verschiedener Ebenen und Akteure an diesen Folgen sind stärker in den Fokus gerückt.
Inwieweit erwächst daraus eine Bildungsaufgabe (für Volkshochschulen)?
Als Volkshochschule sind wir aufgefordert, Vermittlungsangebote zu den oben genannten Themen vorzuhalten und mit Blick auf die Veränderung und Entwicklung der Wohn- und Lebenswelt Möglichkeiten zur Partizipation zu schaffen. Dabei bringen wir die städtischen und andere Akteure der Stadtentwicklung bzw. Entwicklung in der Stadt mit den Bürger*innen zusammen und initiieren Diskussionsprozesse.
Besondere Aufmerksamkeit richten wir im Rahmen der Stadtviertelthemen auf die Sensibilisierung für die Notwendigkeit der Energie- und Verkehrswende.
Mit welchem Projekt/welchen Bildungsangeboten reagieren Sie gezielt auf diesen Bedarf (kurze Projektskizze, vorläufiges Fazit)?
Die Münchner Volkshochschule beteiligt sich regelmäßig mit partizipativen Veranstaltungen zu städtischen Entwicklungsgebieten an den Debatten, die in den Stadtvierteln geführt werden. Mit der neuen Reihe „Mit.Wirkung! Debatten im Viertel“ organisieren die Stadtbereiche Informations- und Gesprächsforen in den unterschiedlichsten Formaten. Dabei greifen wir Themen zu neuen Quartieren ebenso auf wie Entwicklungen in Bestandsquartieren (z.B. Aubinger Gespräche, Giesinger Gespräche, Stadtsanierung Moosach, Veranstaltungen rund um den Stadtentwicklungsplan 2040). Zudem initiierte die Münchner Volkshochschule mit dem Münchner Klimaherbst ein auf Kontinuität angelegtes kooperatives Programmangebot zum Klimawandel.
Wie eng sind Sie dabei mit Ihrer Kommune verzahnt? Gab es einen kommunalen Auftrag an Sie? Welches Feedback haben Sie erhalten? Welche Unterstützung wünschen Sie sich?
Die Stadtbereiche sind in der Regel gut mit der Stadtverwaltung und den politisch Aktiven in der Landeshauptstadt und ihren Vierteln vernetzt. Veranstaltungen, die unter der Beteiligung z.B. der städtischen Referate, von Mitgliedern des Stadtrats oder der Stadtspitze stattfinden, stoßen regelmäßig auf positive Resonanz und werden als wertvolle Unterstützung bei der Vermittlung von Stadtentwicklungsanforderungen gegenüber den Bürger*innen aus einer neutralen Position heraus wahrgenommen.
Ein unmittelbarerer kommunaler Auftrag besteht nicht und würde unserem auf Neutralität ausgerichteten Selbstverständnis auch widersprechen. Aber es werden durchaus aktiv Kooperationswünsche aus der Stadtverwaltung an uns herangetragen, so z.B. zum Stadtentwicklungsplan 2040 oder der SEM Nord-Ost, die wir dann auch in von uns geplanten Formaten aufgreifen.
Welche spezifischen Herausforderungen stellen sich einer Volkshochschule im städtischen Raum in Bezug auf strukturellen Wandel? Inwieweit prägen diese Ihr Angebot und Ihre Organisationsentwicklung?
Die Programmplanung in den Stadtbereichen ist vermehrt hinsichtlich eines zielgruppenspezifischen Angebots gefordert. So richten wir erhebliche Teile des Programms an den Bedarfen von Senior*innen, junger Erwachsenen, Menschen mit Migrationshintergrund oder geringeren Bildungsabschlüssen aus. Auch mit unserer Standortentwicklung greifen wir das Wachstum der Stadt auf und legen unser Angebot polyzentrisch und wohnortsnah an.