von Katharina Reinhold
Jugendlichen Politik näherbringen, und zwar wortwörtlich, war das Ziel des „Politischen Speeddatings“ der Kreisvolkshochschule Aurich im Juni 2021. Viele junge Teilnehmende von Maßnahmen der Jugendberufshilfe haben sich vorher kaum oder gar nicht mit Politik beschäftigt. Die 17 Teilnehmenden des eintägigen Speeddating-Workshops bekamen die Gelegenheit, über ihre Fragen und Themen mit Politiker*innen zu sprechen und sich eine Meinung zu bilden.
Was hat Politik mit mir zu tun?
Vielen Jugendlichen ist nicht klar, wo in ihrem Leben Politik eine Rolle spielt, welche politischen Entscheidungen sich direkt auf ihren Alltag auswirken und wie sie selbst Einfluss nehmen können. In der Vorbereitungsphase des Speeddatings identifizierten die Teilnehmenden in Kleingruppen daher zunächst ihre Berührungspunkte mit Politik und sprachen über aktuelle Themen, die sie interessant finden. Dies waren zum Beispiel die Suche nach einem Ausbildungsplatz oder die Frage, wie man Mobilitätsangebote in ihrer ländlich geprägten Region verbessern könnte. Anschließend entwickelten sie dazu konkrete Fragestellungen.
Wie lief die Veranstaltung ab?
Auf diese 90-minütige Vorbereitungsphase folgte nach einer Pause das eigentliche Speeddating, bei dem die Bundestagskandidierenden von CDU, SPD, FDP und der Linken sowie die Kreisvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen als Gesprächspartner*innen zur Verfügung standen. Für sie wurden auf einer Wiese Stehtische bereitgestellt. Die Jugendlichen fanden sich in neuen Gruppen von 3 bis 4 Personen zusammen und stellten jeweils einem oder einer Politiker*in ihre Fragen. Nach 15 Minuten erfolgte jeweils ein Wechsel, sodass alle Teilnehmenden die Möglichkeit hatten, mit allen Politiker*innen zu sprechen. Die vorbereiteten Fragen dienten dabei als roter Faden und die jungen Menschen machten sich Notizen zu den Antworten.
Für die Nachbereitung kamen die Jugendlichen wieder in den ursprünglichen (Vorbereitungs-)Gruppen zusammen. Die vielen Eindrücke des Speeddatings wurden in Gesprächen reflektiert und die Notizen besprochen. In Zuge dessen wurden die Teilnehmenden dazu ermutigt, sich eine eigene Meinung zu bilden. Ihnen wurden auch anknüpfende Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt, wie etwa zur Wahl zu gehen, Bürgerbriefe zu schreiben oder sich lokal zu engagieren. Zum Abschluss gab es ein Auswertungsgespräch zu der Veranstaltung.
Politik ist nicht weit weg
Ein Ziel der Veranstaltung war – neben dem Wecken eines Interesses für Politik – auch, den Jugendlichen Menschen, die politische Entscheidungen treffen, wortwörtlich näherzubringen. „Die Teilnehmenden haben in ihrem Leben häufig Situationen erlebt, in denen über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde. Beim Speeddating ging es auch darum, ihnen zu zeigen, dass es ihr Recht ist, von Politiker*innen Auskunft zu erhalten und ihnen ihre eigene Meinung mit auf den Weg zu geben“, sagt die Projektverantwortliche Hilke Lüschen. Deshalb war es dem Team auch wichtig, in der Nachbereitung auf weitere konkrete Möglichkeiten einzugehen, sich einzubringen und die eigene Meinung zu vertreten. Die jungen Menschen konnten sich während der Veranstaltung zu politischen Themen eine Meinung bilden, Politiker*innen als nahbare Menschen erleben und ihnen ihre Interessen mitteilen. Nicht zuletzt zielte die Veranstaltung somit auch darauf ab, dass sich Politiker*innen mit Jugendlichen auseinandersetzen müssen, die sie sonst nicht treffen würden.
Hilke Lüschen, Projektverantwortliche an der Kreisvolkshochschule AurichDie Teilnehmenden haben wichtige Anliegen und Interessen angesprochen, insbesondere was die Situation von Jugendlichen im ländlichen Raum angeht, die sonst selten bei Politiker*innen vorgebracht werden. Das zeigten auch die Rückmeldungen der Politiker*innen.
Wählen gehen oder nicht?
Das Speeddating fand im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 statt, daher sprachen die Jugendlichen auch darüber, ob sie an der Wahl teilnehmen würden oder nicht. Für die meisten Jugendlichen stand bereits vor der Veranstaltung fest, dass sie wählen gehen würden. Für sie konnte die Veranstaltung politische Orientierung bieten. Einige Teilnehmende hatten auch nach der Veranstaltung kein Interesse daran wählen zu gehen. Einzelne sagten jedoch, dass die Veranstaltung sie dazu bewegt hätte, nun doch wählen zu gehen. Für sie hat das Speeddating einen Zugang zur Politik geschaffen.
Perspektiven und Verbesserungsideen
Hilke Lüschen zeigt sich sehr zufrieden mit der Veranstaltung: „Das Speeddating ist insgesamt sehr gut verlaufen und wird für die Landtagswahlen im nächsten Jahr erneut geplant.“ Aus der Reflexion der Teilnehmenden gehen einige Punkte hervor, die bei einer erneuten Durchführung verbessert werden könnten. So wünschten sich viele Teilnehmende eine längere Vorbereitungszeit, um sich zum Beispiel mit den Positionen der verschiedenen Parteien zu bestimmten Themen beschäftigen zu können. Eine Ausdehnung der Veranstaltung auf zwei Tage wäre denkbar. Auch die Auswahl der Politiker*innen müsse überdacht werden: „Zu unserem Speeddating kamen aufgrund der anstehenden Bundestagswahl die Bundestagskandidierenden. Die Teilnehmenden hatten aber vorwiegend Fragen zur Lokalpolitik und waren enttäuscht, als sie hörten, dass die Politiker*innen dafür nicht zuständig seien“, so Lüschen.
Es gibt Überlegungen, dass bei einer Neuauflage Gruppenleiter*innen an den Speeddating-Gesprächen teilnehmen könnten, um im „Notfall“ moderierend eingreifen zu können. „Den Teilnehmenden fiel es oft schwer, den Redefluss der Politiker*innen zu stoppen und das Gespräch zurück auf ihre Frage zu lenken“, resümiert Lüschen.
… und die Pandemiemaßnahmen?
Die Veranstaltung war an die geltenden Bestimmungen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie angepasst. Alle Teilnehmenden waren getestet, die Jugendlichen arbeiteten in kleinen festen Gruppen, und die Gespräche mit den Politiker*innen fanden unter freiem Himmel statt. Während des Speeddatings trugen die jungen Teilnehmenden auch draußen ihre Masken. Die Politiker*innen durften ihre Mund-Nase-Bedeckungen abnehmen, damit man ihre Gesichter und ihre Mimik sehen konnte. Dieses Ungleichgewicht wurde im Anschluss von einigen Teilnehmenden bemängelt.