Die vhs Brandenburg an der Havel initiierte im Rahmen des Projekts „Globales Lernen in der vhs“ eine Workshopreihe zum Thema "Globale Klimagerechtigkeit". Diese zielte darauf ab, die lokale Fridays For Future Gruppe inhaltlich in ihrer globalen Perspektive und methodisch in ihren Handlungskompetenzen zu stärken.
Frau Pönichen, Sie haben im Herbst 2020 die Veranstaltung „Globale Klimagerechtigkeit – Wir machen weiter!“ durchgeführt. Womit machen Sie weiter und warum ist es wichtig weiter zu machen?
Als vhs unterstützen wir eine Gruppe junger Menschen, die sich gesellschaftlich und politisch engagieren. Es zählt für uns als vhs zu einem der wichtigsten Aufgabengebiete, hier weiter zu machen. Die politische Bildungsarbeit, also die Stärkung politischer Urteilskraft und Handlungskompetenz ist und bleibt Hauptaugenmerk unserer Arbeit. Zugegebenermaßen ist dieses Aufgabengebiet nicht das einfachste.
Da diese Workshops sehr prozess- und teilnehmendenorientiert aufgebaut sind, habe ich auch die Frage direkt an unsere Teilnehmenden der Fridays for Future Gruppe aus Brandenburg an der Havel, weitergegeben. In unserer Workshopreihe haben die Teilnehmenden eine Liste von Forderungen an die Stadtverwaltung der Stadt Brandenburg a.d.H. erarbeitet, diese sollen in einer zukünftigen Workshopreihe weiter ausgearbeitet werden. Zudem besteht die Absicht der Gruppe, neue Aktionen zu kreieren und zu planen. Hier ist erkennbar, wie die jungen Menschen in ihrer Handlungskompetenz bestärkt werden.
Globale Klimagerechtigkeit ist ein komplexes Thema. Worauf lag der Fokus der Veranstaltung?
Durch den Lockdown im Frühjahr 2020 standen in dieser Zeit stärker die Fragen der individuellen Reflexion und der gemeinsamen Analyse der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für klimapolitischen Aktivismus im Zentrum. Inhaltlich hat sich durch die äußeren Umstände eine Auseinandersetzung nicht nur mit Fragen des Klimawandels, sondern darüber hinaus – im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie – auch im Kontext globaler Gerechtigkeit aufgedrängt. Arundhati Roys* Impuls zur ‚Pandemie als Portal‘ sowie verschiedene Materialien des Gesturing Towards Decolonial Futures Collective** wurden als Perspektiven aus dem Globalen Süden einbezogen, die mit den Perspektiven der Teilnehmenden in Dialog gebracht wurden. Die eigene Meinungsbildung, die Selbsterforschung und der gemeinsame Austausch unter den Teilnehmenden standen dabei im Vordergrund.
*Arundhati Roy indische Schriftstellerin und politische Aktivistin. Sie ist Autorin von „Gott der kleinen Dinge“.
**Gesturing Towards Decolonial Futures Collective ist ein internationales Kunst- und Forschungskollektiv, das insbesondere die Perspektive des Globalen Südens in pädogogische, künstlerische oder politische Arbeit einbringt.
Das Seminar wurde in Kooperation mit Fridays for Future durchgeführt. Wie kam diese Kooperation zustande?
Kolleg*innen und ich haben gemeinsam gebrainstormt, welche Projekte wir im bildungspolitischen Bereich initiieren könnten. Uns war es sehr wichtig, nicht im luftleeren Raum zu starten. Wir wollten zum einen ein aktuelles Thema, welches auch Teilnehmende anzieht, und zum anderen gerne eine neue Kooperation anregen. Fridays for Future war zu diesem Zeitpunkt in aller Munde, da viel schnell auch der Groschen bei uns. Ich habe die Gruppe kontaktiert und mehrmals an ihren wöchentlichen Sitzungen teilgenommen. Wir kamen ins Gespräch und schließlich entwickelte sich diese Kooperation. Spannend fand ich, dass sie mich bei der zweiten Sitzung direkt fragten, ob sie nicht auch selbst „lehren“ könnten. Bisher waren sie „nur“ Podiumsgäste bei einer anderen Veranstaltung und haben dort das Publikum durch ihr Engagement und ihr kompetentes Auftreten beeindruckt. Die Idee mit Jugendlichen als Dozierende zu arbeiten, verfolgen wir weiter.
Was waren Herausforderungen der Veranstaltung und wie sind Sie damit umgegangen?
Eine Herausforderung bei der Zusammenarbeit mit mehreren Beteiligten (Kooperationspartner Fridays for Future, Dozentin, Fördergeber DVV International) sind immer die zeitlichen Kapazitäten für Absprachen und organisatorische Belange. Es nimmt viel mehr Zeit in Anspruch als man denkt. Dabei wird man als Team immer routinierter und eingespielter. Und so abgedroschen wie es klingt, es lohnt sich! Ich bin überzeugt, dass aus solch einer Workshopreihe immer noch mehr entstehen kann, wie z. B. weitere Veranstaltungen, Netzwerke und Kooperationen. Gesellschaftliche Mitgestaltung bedeutet eben auch sich Zeit zu nehmen um etwas zu schaffen. Wer diese politische Beteiligung nicht nur propagieren, sondern auch leben will, muss Zeit mitbringen. Und ich habe das Glück als hauptamtliche Mitarbeiterin, dass mir diese Zeit für diese Projekte gegeben wird.
Eine weitere große Herausforderung war die Umstellung von Präsenzseminaren auf ein digitales Format im ersten Halbjahr 2020. Leider haben nicht alle Teilnehmende Zugang zu stabilen Internetverbindungen. Einige Workshops wurden digital durchgeführt, allerdings ohne Video um die Internetverbindungen nicht zu strapazieren. Die Gruppe hat sich dann im Herbst 2020 aus oben genannten Gründen dazu entschlossen, keine digitalen Veranstaltungen mehr durchzuführen.
Welche Tipps haben Sie an Kolleg*innen aus anderen vhs, die eine Veranstaltung zu diesem Themengebiet planen?
Nach meiner Erfahrung steht und fällt eine solche Veranstaltung mit der Dozentin/dem Dozenten und der Bindung zu den Teilnehmenden. Recherchieren Sie, welche Vereine, Initiative und Organisationen es bereits in Ihrer Region gibt. Ich empfehle Ihnen, rufen Sie am besten bei diesen Organisationen an und fragen Sie direkt nach, ob es passende Dozierende gibt oder ob eine Gruppe Unterstützung benötigt. Persönliche Gespräche und Telefonate sind dabei hilfreicher und würde ich immer einer E-Mail vorziehen.
Inwiefern sind die Themen globaler Nachhaltigkeit auch über diese Veranstaltung hinaus Thema an Ihrer vhs?
Mit zwei Vertreterinnen von Fridays for Future und drei weiteren lokalen Akteurinnen hat unsere vhs die Veranstaltung „Brandenburgerinnen machen was fürs Klima – Podiumsdiskussion von und für Frauen zum Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ durchgeführt. Verschiedene Brandenburgerinnen stellten ihre Projekte, Ansätze sowie Zukunftsvisionen vor. Sie hinterfragten unser alltägliches Handeln und unser Verhältnis zur Umwelt. Zudem haben die Podiumsgäste die Teilnehmerinnen inspiriert und motiviert.
Dank der Förderung der Zentralstelle für Politische Jugendbildung im Deutschen Volkshochschul-Verband bzw. des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend können in diesem Jahr noch Veranstaltungen zum Thema „Upcycling mit der Nähmaschine“ sowie „Zero Waste-Workshops“ für die Zielgruppen Kinder sowie Jugendliche und junge Erwachsene stattfinden. Die ersten Workshops laufen zurzeit an. Wichtig ist uns auch, Menschen in der Region darauf aufmerksam zu machen, dass die vhs mehr als nur Sprachkurse anbietet.
Haben Sie bereits Ideen für weitere Veranstaltungen zum Themengebiet des Globalen Lernens?
Wir setzen mit den oben genannten Workshops Achtungszeichen – hier entsteht Neues! Und bei diesem doch sehr umfassenden Themengebiet „Globales Lernen“ gehen uns, unseren Kooperationspartnern, Dozierenden und Teilnehmenden die Ideen nicht aus. Ich denke, dass durch die derzeitigen Kurse neue Ideen für weitere tolle Veranstaltungen entstehen werden. Aber erstmal setzen wir einen Schritt vor den anderen und blicken gespannt auf das Jahr 2022.
Vielen Dank für das Interview!
Isabell Pönichen ist Lehrbereichsleitung für die Bereiche „Mensch und Gesellschaft; Kunst Kultur & Kreatives Gestalten“ an der vhs Brandenburg a.d.H.