Interviewreihe "Zusammen in Vielfalt"
Mit dem Jahresthema „Zusammen in Vielfalt“ machen Volkshochschulen im Jahr 2022 die Vielfalt ihrer Einrichtungen sichtbar und entwickeln sie weiter. Denn unsere Gesellschaft ist bunt: Menschen mit unterschiedlichen Biografien, Fähigkeiten und Lebensrealitäten prägen das Zusammenleben in unserer Gesellschaft und unsere Arbeit an den Volkshochschulen. Diese Vielfalt bietet Chancen und Potenziale. Studien zeigen: Dort, wo Vielfalt gefördert und gelebt wird, ist auch der Zusammenhalt stark.
In den kommenden Monaten stellen wir Volkshochschulen und ihre Mitarbeiter*innen vor, die sich am Jahresschwerpunkt beteiligen. Dieses Interview führt uns nach Niedersachsen zur vhs Lingen (Öffnet in einem neuen Tab). Die vhs Lingen beschäftigt sich seit einiger Zeit mit diversitätssensibler Organisationsentwicklung und versucht diese in der eigenen Einrichtung umzusetzen. Unsere Fragen beantwortet haben Dr. Birgit Lonnemann (Programmbereichsleitung Deutsch und Sprachen) und Ute Bischoff (Geschäftsführerin).
Inwieweit sind Diversität und Vielfalt zentrale Bildungsaufgaben für (Ihre) Volkshochschule?
Vielfalt ist der Markenkern von Volkshochschulen. Durch den starken Aufwuchs im Bereich Migration ist Vielfalt in unserer Einrichtung noch einmal deutlich bunter geworden.
Diversität und Vielfalt gehören zum Selbstverständnis unserer Einrichtung und resultieren aus dem Auftrag der Volkshochschulen: Bildung für ALLE war, ist und bleibt zentrales Thema in unserer Einrichtung. Wir haben Diversität in unserem Leitbild verankert (s.u.) und denken den Diversitätsgedanken bei allen unseren Prozessen mit, sei es bei der Kommunikation mit Teilnehmenden und Kursleitenden, bei der internen Kommunikation oder bei der Prozessabwicklung.
Wie versuchen Sie das Thema Diversität in Ihre Organisationsentwicklung einzubinden?
Das Thema Diversität ist ein Querschnittsthema in unserer Einrichtung. Wie die Bereiche Marketing und Digitalisierung binden wir es in Form eines Managementansatzes ein, der alle Arbeitsbereiche umfasst. Dabei ist es zentrale Aufgabe, den wesentlichen Wert von Diversität für unser Haus auch allen Mitarbeitenden zu vermitteln.
Mithilfe zweier Workshops haben wir zunächst auf der Ebene der Programmbereichsverantwortlichen einen Austausch zum Thema Diversität abgehalten. Zentrale Fragestellung war hierbei: „Wo stehen wir?“. Zu dieser Standortbestimmung haben wir die Checklisten des DVV verwendet (s.u.). Der zweite Workshop richtete den Blick auf die Programmangebotsebene.
Verschiedene Schwerpunkte im Bereich Diversity, die sich bei diesen Workshops herauskristallisiert haben, werden uns in Zukunft weiter intensiv beschäftigen. Es wird wesentlich sein, die Diversity-Thematik bei allen Mitarbeitenden zu verankern.
Greifen Sie dabei auf Unterstützungsmaterialien des DVV zurück? Wenn ja, wie konnten Ihnen diese weiterhelfen?
Ja, wir haben anhand der Diversity-Checklisten (Öffnet in einem neuen Tab) auf den drei Ebenen (Organisation, Programmangebot, Personal) eine Selbstbewertung und Standortbestimmung unserer Organisation vorgenommen. Die Checklisten waren sehr hilfreich, um in der eigenen Einrichtung zunächst auf Leitungsebene für das Thema diversity zu sensibilisieren. Aufbauend auf den Ergebnissen unserer Selbstbewertung konnten wir feststellen, dass wir auf Angebotsebene recht gut aufgestellt sind (Auftrag: Bildung für ALLE). Im Hinblick auf gendergerechte Sprache werden wir in diesem Bereich ebenfalls auf die vorhandenen Materialien des DVV Bezug nehmen.
Darüber hinaus ist es uns ein zentrales Anliegen, barrierefreie Ansprachen von Teilnehmenden und Kursleitenden zu ermöglichen. Wir arbeiten daher nicht nur an der Thematik einer gendergerechten Sprache, sondern nutzen leichte bzw. einfache Sprache – sowohl auf Organisations- als auch auf Programmangebotsebene – um alle Menschen zu erreichen. Unsere barrierefreie Türbeschilderung nutzt metacom-Symboliken, mithilfe derer sich Menschen mit Migrationshintergrund oder Leseschwierigkeiten deutlich besser zurechtfinden.
Auf Personalebene sind wir in Bezug auf den diversity-Gedanken innerhalb der Belegschaft gut „durchmischt“. Die gesetzlichen Vorgaben z.B. in Bezug auf das Geschlecht werden selbstverständlich bei Stellenausschreibungen für neue Mitarbeitende sowie bei der Akquise neuer Kursleitender berücksichtigt.
Auf Organisationsebene hat die Beschäftigung mit den DVV-Checklisten zum Thema Diversität zu einer Anpassung unseres Leitbilds geführt, in dem nun auch Diversity fest verankert ist.
Leitbild der vhs LingenWir sind offen für alle Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht, sexueller Identität, sozialer Schicht, Nationalität, Religion, Bildungsabschlüssen und kultureller Zugehörigkeit. Wir stehen für eine offene und barrierefreie Lernkultur. Alle Bevölkerungsgruppen sind eingeladen, unser vielfältiges Programm zur individuellen Weiterbildung zu nutzen.
In welcher Form beteiligen Sie sich am Jahresschwerpunkt „Zusammen in Vielfalt“?
Das Thema „Zusammen in Vielfalt“ ist als Jahresschwerpunktthema formuliert und über das Template des DVV visualisiert worden:
Die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Ansichten ist notwendig und Teil einer gelebten Diversität in den Einrichtungen. Die VHS trägt mit einem vielfältigen Lehr- und Lernumfeld dazu bei, Diversität zu lernen und zu leben und damit den Leitspruch der Volkshochschularbeit „Bildung für alle“ mit Leben zu füllen. Im Rahmen des Jahresthemas „Zusammen in Vielfalt“ soll diese Dynamik genutzt werden, um alle Akteure unseres Bildungshauses einzuladen, an diesem Prozess weiter mitzuwirken. Denn gelebte Diversität erwächst aus der Vielfalt der Perspektiven. Dieser Lern- und Entwicklungsprozess ist nicht immer einfach und nicht frei von Hindernissen und Widerständen. Doch gerade Volkshochschule mit ihrer jahrelangen Bildungserfahrung und einem historischen Fundament von demokratischen Ansätzen, Teilhabe und Selbstermächtigung kann diese Herausforderung meistern (vgl. Editorial Programm-heft VHS Lingen Frühjahr 2022).
Auf Programmangebotsebene finden sich in Bezug auf das Schwerpunktthema beispielsweise Veranstaltungen wie
- Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – Der Weg zu einem gemeinsamen Gemeinsam
- Gelingende Kommunikation – Barrieren überwinden mit Leichter Sprache, Gebärdensprache und mehr
- Radfahrtraining für Frauen und Männer aller Kulturen
- Internationaler Maltreff
Darüber hinaus planen wir für den Beginn des Herbstsemesters einen Diversity Day gemeinsam mit zwei weiteren Akteuren am gemeinsamen Bildungsstandort: einer Kindertagesstätte und der Pestalozzischule, einer Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen. Details hierzu sind derzeit in Planung.