Durch Beratung von Partnereinrichtungen, durch Lobbyarbeit und Regierungsberatung setzt sich der Deutsche Volkshochschul-Verband (DVV) über sein Institut für internationale Zusammenarbeit (DVV International) weltweit dafür ein, die gesetzgeberischen und finanziellen Rahmenbedingungen für Erwachsenenbildung zu verbessern. Bei einer fünftägigen Projektreise besuchte DVV-Verbandsdirektorin Julia von Westerholt gemeinsam mit Uwe Gartenschlaeger, Leiter von DVV International, das Partnerland Georgien und lernte dort die Auslandsarbeit in der Kaukasusregion hautnah kennen. Im Interview schildern die beiden ihre Eindrücke.
Frau von Westerholt, was war der Anlass für Ihre Reise nach Georgien?
Julia von Westerholt: Für mich war es eine lange fällige Projektreise, um unsere Auslandsarbeit vor Ort kennenzulernen. Mit dem Beginn meiner Tätigkeit beim DVV während des ersten Corona-Lockdowns im April 2020 war eine solches Vorhaben nicht möglich. Es war gut, diese Reise jetzt zu unternehmen und ich wage die Prognose, dass es nicht meine letzte gewesen sein wird!
Der Besuch unseres Büros in Tblissi und der immerhin 4 von 15 Erwachsenenbildungszentren, die wir dort fördern, hat mir einiges vor Augen geführt, was ich ganz anders erwartet hätte. Der Auftrag von Volkshochschule, die wichtige Rolle kommunaler Begegnungsräume, die Bedeutung niederschwelliger Zugänge zu Bildungsangeboten und die großartige Chance lebenslangen Lernens, wurden mir hier noch einmal mit besonderer Überzeugungskraft deutlich. Die Frage, warum der Zugang zu geschützten Bildungs- und Begegnungsräumen insbesondere in Krisenzeiten so enorm wichtig ist, beantwortete sich hier fortwährend selbst.
Herr Gartenschlaeger, was sind die größten Herausforderungen, mit denen sich die Erwachsenenbildung in Georgien konfrontiert sieht?
Uwe Gartenschlaeger: Georgien hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert. Dies betrifft die Arbeitswelt, aber auch das gesellschaftliche Leben bis hinein in persönliche Lebenslagen. Dadurch entstand ein großer Bedarf an Weiterbildungsangeboten. Allerdings gibt es abseits der Hauptstadt kaum Angebote. Diese zu schaffen ist angesichts einer kaum existierenden staatlichen oder kommunalen Unterstützung extrem schwierig. Auf politischer Ebene fehlt oftmals das Verständnis für die Bedeutung der Arbeit. In jüngster Zeit entwickelt sich zudem ein politisches Klima, das insbesondere politische Bildung und zivilgesellschaftliches Engagement, das für die Erwachsenenbildung zentral ist, schwieriger macht.
Wie sieht die Arbeit von DVV International vor Ort konkret aus?
Gartenschlaeger: Im Mittelpunkt unseres Engagements steht die Unterstützung für fünfzehn lokale Erwachsenenbildungszentren, die über das ganze Land verteilt sind und von lokalen Partnern nach dem Vorbild der Volkshochschulen aufgebaut wurden. Sie bieten vor allem in strukturschwachen Klein- und Mittelstädten ein breites, am Bedarf der Menschen ausgerichtetes Angebot an, das von beruflicher Qualifikation über politische Bildung bis hin zu kulturellen und kreativen Kursen reicht. Auf nationaler Ebene arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern an einer stärkeren rechtlichen Absicherung und Förderung der Erwachsenenbildung durch den georgischen Staat.
Julia von WesterholtBesondere Anerkennung für unsere Arbeit in Georgien erfuhren wir bei unserem Gespräch mit dem deutschen Botschafter, der ein ausgewiesener „vhs-Fan“ ist.
In Georgien haben Sie sich nicht nur angesehen, was DVV International mit seinen Partnern in den Erwachsenenbildungszentren leistet, sondern haben auch Gespräche mit der Politik geführt. Wen haben Sie getroffen und worum ging es in den Gesprächen?
von Westerholt: Die Gespräche im politischen Raum und auf Regierungsebene sind im In- und Ausland gleichermaßen wichtig, auch das wurde bei dieser Reise noch einmal deutlich. Für die erfolgreiche Anwaltschaft für die allgemeinen Weiterbildung und das lebenslange Lernen brauchen wir den Schulterschluss mit relevanten Akteuren auf allen Ebenen, in Regierung und Verwaltung. In Georgien konnten wir einerseits mit den Bürgermeistern der Kommunen der Einrichtungen sprechen und andererseits mit dem Vizeminister im Bildungsministerium. Wir haben auch ein Gespräch mit dem Dachverband des georgischen Erwachsenenbildungsnetzwerks geführt. Interessant war in allen Gesprächen, dass die grundsätzliche Herausforderung, für die Anerkennung der Weiterbildung als eigenständige und relevante Säule im Bildungssystem einzutreten, auch in Georgien ein Grundsatzthema in der Interessenvertretung ist. Besondere Anerkennung für unsere Arbeit in Georgien erfuhren wir bei unserem Gespräch mit dem deutschen Botschafter, der ein ausgewiesener „vhs-Fan“ ist.
Welche Bedeutung hat für Sie dieser Blick über den Tellerrand? Was nehmen Sie für die Arbeit mit den Volkshochschulen in Deutschland mit?
von Westerholt: Unsere georgischen Partner haben aufgrund der aktuellen politischen Lage im Land jetzt zusätzliche, sehr große Herausforderungen zu bewältigen, gegen die sich unsere Probleme in Deutschland im Vergleich wie „Luxusprobleme“ ausnehmen, auch wenn sie dadurch natürlich nicht weniger wichtig sind. Eine solche Reise verdeutlicht einmal mehr, wie relevant der Auftrag „Bildung für alle – überall“ ist. Wir stehen dafür ein, dass alle Menschen überall auf der Welt Zugang zu Bildung haben. Wir wollen allgemeine Weiterbildung ermöglichen und Volkshochschule im Speziellen zukunftsfähig gestalten. Das ist gerade im Ausland und gerade heute eine nicht ungefährliche, aber hochrelevante Mission für alle, die daran arbeiten.