Die Traktor-Sternfahrt protestierender Landwirt*innen aus der Region nach Detmold Anfang Januar 2024 verlief ohne Zwischenfälle. Im Frühjahr kamen viele Detmolder und Lemgoer Bürger*innen zu Demonstrationen für Demokratie und Menschenrechte zusammen. Auch am Spaziergang für Demokratie und Vielfalt rund um den Lemgoer Wall nahmen zahlreiche Menschen teil, und die Europatage der Stadt Detmold trafen auf starke Resonanz. Die Atmosphäre in Detmold, Lemgo und Umgebung sei friedlich, sagt Dr. Sonja Girod, Fachbereichsleiterin an der vhs. Aber manchen Menschen sei ihre Unruhe anzumerken.
Es gibt Redebedarf in den beiden Städten in Ostwestfalen-Lippe, Interesse am Austausch, an einem Runden Tisch, der Bürger*innen zusammenbringt. Der steht nun bereit, und zwar an mehreren Tagen im Semester im prächtigen alten Haus Wippermann, dem Sitz der vhs Lemgo.
Der „Round Table“ sei ein Wunschangebot, erzählt Sonja Girod. Um ihr Programm stärker an den Interessen potenzieller Teilnehmer*innen auszurichten, hat die vhs Wunsch-Briefkästen in den Geschäftsstellen und die E-Mail-Adresse E-Mail-Adressemeinwunschvhs-detmold-lemgode eingerichtet. Auf diesem Wege nimmt das vhs-Team Anregungen der Bürger*innen fürs Programm entgegen, die, wenn eben möglich, auch aufgegriffen werden. Gewünscht wurde seither Unterschiedlichstes, vom Patchwork-Nähen über den Diskjockey-Workshop bis hin zu eben diesem Runden Tisch, an dem Bürger*innen sich ohne Konformitätsdruck über politische und gesellschaftliche Themen austauschen können.
Runder Tisch wählt Themen selbst
Zum ersten Round Table im April kamen bereits zehn Personen, die blieben und Neue mitbrachten. In diesem Frühjahrssemester 2024 hat sich die Gruppe schon dreimal getroffen. Der Round Table verbindet einen Input der Fachbereichsleiterin oder eine*r externen Referent*in mit einer anschließenden Gesprächsrunde. Das funktioniert, stellt Sonja Girod fest. Es bestehe nicht der Anspruch, vorher schon alles zu wissen und alles zu verstehen, dadurch könne sich jede*r frei äußern. Die Teilnehmenden des Round Table lernen sich von Termin zu Termin besser kennen. Dies trägt zu einem ungezwungeneren Austausch und einer offenen Begegnung bei.
Am Schluss eines Round Table-Treffens bestimmen die Teilnehmer*innen selbst das Thema der nächsten Zusammenkunft. So folgte auf das Mai-Thema „Sinn und Unsinn der EU“, bei dem die Struktur der Europäischen Union im Mittelpunkt stand, am 20 Juni ein weiterer Round-Table, der sich die aktuellen Europawahlergebnisse vornahm.
Sonja Girod, Fachbereichsleiterin an der vhs LemgoDie Menschen wollen mehr über die EU wissen, Europa ist ihnen nicht egal.
EU rückte näher
Erst einmal herrschte an diesem Donnerstagabend beim Blick auf diese Wahlergebnisse nachdenkliche Stille, berichtet Sonja Girod. Als das Gespräch in Gang kam, äußerten mehrere Teilnehmer*innen Kritik an Parteien, die auf ihre schlechten Ergebnisse nur sehr verhalten reagiert hätten. Gewünscht wurden klarere Stellungnahmen, auch angesichts der vielen Stimmen junger Wähler*innen für die AfD. Einige der Anwesenden fanden, dass die Europäische Union weit entfernt sei, sie fühlten sich nicht ausreichend über die EU informiert. „Das kann als Vorwurf an die Politik gemeint sein oder auch an sich selbst“, sagt Girod, „es steht uns ja frei, uns zu informieren“. Immerhin: „Die Menschen wollen mehr über die EU wissen, Europa ist ihnen nicht egal“.
Umso wichtiger, dass die EU an diesem Abend doch näherrückte. Dafür sorgte der Referent Dr. Justus Schönlau. Er stammt aus Detmold und arbeitet bei der Europäischen Union im Ausschuss der Regionen. Dr. Schönlau konnte einen Eindruck von der schwierigen Konstituierung des neu gewählten Parlaments vermitteln: Immer noch haben rund 80 Abgeordnete keine Fraktionszugehörigkeit. Viele Parlamentarier*innen blicken mit Sorge auf die künftige ungarische Ratspräsidentschaft, die sich mit einer Anleihe bei Donald Trump das Motto „Make Europe great again!“ gegeben hat.
Auch die Kritischen sind eingeladen
Fachbereichsleiterin Sonja Girod und Claudia Biehahn, Leiterin der vhs Detmold-Lemgo, freuen sich, dass der Round Table rege nachgefragt und von Bürger*innen engagiert mitgestaltet wird. Sie arbeiten daran, das Format auch an anderen Standorten anzubieten und den Kreis der Teilnehmer*innen zu erweitern: über die jetzt bereits Vertretenen, eher Älteren, Bildungsnahen und Politikaffinen hinaus auf die Jüngeren, die Politikverdrossenen, die wenig Integrierten und auch die Kritischen. Dabei soll es beim Round Table gar nicht immer nur ums unmittelbar Politische gehen. Aber was ist schon unpolitisch? Fürs nächste Mal haben die Teilnehmer*innen das Thema „Künstliche Intelligenz“ auf die Tagesordnung gesetzt – und die Frage, was Arbeit im KI-Zeitalter eigentlich noch wert ist.
#zukunftsort_vhs – Volkshochschule als Ort der Demokratie
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