In der sächsischen Barockmetropole ist Europas gemeinsame Geschichte zum Greifen nahe, die EU aber ist für viele Bürger*innen weit weg. Sie fremdeln mit den Brüsseler Institutionen, fühlen sich von EU-Parlamentarier*innen nicht vertreten und meinen, das alles habe mit ihrer Stadt wenig zu tun. Andere hingegen sind überzeugte Befürworter*innen der EU und bemühen sich, Europas Leistungen für Dresden bekannt zu machen. Zu ihnen gehören Jürgen Küfner, Leiter der Dresdner Volkshochschule, Fachbereichsleiterin „Mensch und Gesellschaft“ Melanie Haase und Corinna Drexler, die in der vhs für die Politische Bildung zuständig ist.
In der Woche der Europawahl schaut Corinna Drexler gespannt auf die Anmeldelisten: Werden die auf ganz unterschiedliche soziale Gruppen und Interessen zugeschnittenen Angebote nachgefragt? Gelingt es der vhs, Dresdner*innen jeden Alters für europäische Themen zu interessieren?
Damit die Bürger*innen mehr über die EU erfahren, arbeitet die Volkshochschule mit engagierten Verfechter*innen eines starken Europas wie den Mitgliedern der sächsischen Europa-Union und den Jungen europäischen Föderalist*innen zusammen. Für das Superwahljahr 2024 wurde ein ganzes Europa-Programm zusammengestellt, das Bewährtes mit Neuem verbindet.
Salons und Techno-Klubs: vhs klassisch und alternativ
Ein Klassiker im Europa-Programm der vhs knüpft an eine historische Institution der bürgerlichen Öffentlichkeit an: die Salons. In vhs-Leiter Jürgen Küfners „Europäischem Salon“ tauschen sich EU- und Politik-affine Menschen aus Dresden und Umgebung mit Entscheidungsträger*innen von der europäischen wie auch der Landesebene über Europafragen aus. Das hilft ihnen, die europäische Idee in ihrem persönlichen Umfeld und im öffentlichen Raum noch entschiedener zu vertreten.
Für viele Bürger*innen Dresdens ist Ostmitteleuropa wichtiger als Frankreich oder die Niederlande. Das vhs-Team weiß das zu nutzen: Im „Tschechischen Salon“ geht es um aktuelle Entwicklungen im Nachbarland, mit dem Dresden über die Euroregion Elbe/Labe eng verflochten ist.
Das vhs-Team möchte aber auch Gruppen ansprechen, die sich in den Salons nicht sehen würden. Mit ihren Veranstaltungen zum Thema Europa für Erstwähler*innen – Jugendlichen und jungen Erwachsene, aber auch Neubürger*innen mit Zuwanderungsgeschichte – geht die vhs neue Wege. Besonderes Gespür für Menschen, die nicht zu den Stammkund*innen der vhs zählen, brauchen die Dozent*innen auch in Kursen für Personen mit geringen Schriftsprachkenntnissen, in denen Grundwissen über Europa in einfacher Sprache vermittelt wird.
Wen auch immer das Team bei seiner Programmplanung zur Politischen Bildung im Blick hat: Die Veranstaltungen sollen das Gespräch fördern. Das Prinzip dabei: auch Personen mit kruden Meinungen erst einmal zuhören, zugleich aber klare Kante gegen rechtsextreme Tendenzen zeigen. Das ist in Sachsen nicht überall einfach: Wissenschaftler*innen von der TU Dresden weisen anhand von Umfrageergebnissen darauf hin, dass „Mitarbeiter*innen in der außerschulischen politischen Bildung und deren Angebote zum Teil massiven Angriffen, Störungen sowie Anfeindungen ausgesetzt“ sind.
Älteren Europa-Skeptiker*innen, Nostalgiker*innen und Politikmüden frische Impulse zu geben ist in Zeiten demographischen Wandels dringend geboten. Mindestens ebenso wichtig ist es, junge Leute für Politik zu interessieren. Dafür muss die Volkshochschule buchstäblich in Bewegung kommen. Die meisten jungen Dresdner*innen wohnen nicht im Stadtzentrum und verbringen dort auch nicht ihre Freizeit. Darum finden Angebote zur Politischen Bildung vermehrt über die Stadt verstreut statt. Auch bei der Werbung für ihre Angebote probiert die vhs Neues aus. Eine Veranstaltung zur Dresdner Erinnerungskultur in der Gedenkstätte Bautzner Straße, einer Erinnerungsstätte für Opfer der politischen Verfolgung in der DDR, wurde in Zusammenarbeit mit einem Techno-Klub durchgeführt, der über sein Netzwerk in den Sozialmedien dafür warb. Der Abend wurde ein voller Erfolg, mit über 100 Teilnehmer*innen, mehrheitlich unter 35 Jahren. Viele hatten bis dahin gar nicht gewusst, dass es in der vhs noch etwas Anderes als Sprachkurse gibt.
Politische Bildung dauerhaft absichern!
Mit den Anmeldelisten ist das vhs-Team zufrieden, die Nachfrage ist da. Derzeit kann sie bedient werden, denn der Freistaat Sachsen fördert die Politische Bildung mit einem Sonderzuschuss. Notwendig ist jedoch eine dauerhafte Finanzierung. Auch vor der Landtagswahl im September werden Jürgen Küfner, seine Dresdner Mitarbeiterinnen und viele ihrer Kolleg*innen an den sächsischen Volkshochschulen alles in Bewegung setzen, um die Menschen für Politik zu interessieren – und hoffen, dass Politiker*innen das würdigen.
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#zukunftsort_vhs – Volkshochschule als Ort der Demokratie
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