von Katharina Reinhold
„Protest-Plakate – Zeige deine Meinung!“ und „Graffiti – Wir sind bunt! Farbe verbindet“ – dies waren zwei Jugend-Workshops der Oberallgäuer Volkshochschule: Vier Wochenenden im Herbst 2020, die für die Teilnehmer*innen alles andere als grau waren. Beide Workshops verknüpften die Themen Grund- und Menschenrechte sowie Meinungsfreiheit mit künstlerischen Ausdrucksformen und wurden von den Kindern und Jugendlichen begeistert aufgenommen.
Mit Plakaten Protest zeigen
Welche Formen kann Protest annehmen? Wofür setzen Menschen sich ein – heute und in der Vergangenheit? Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Teilnehmer*innen des Workshops „Protest-Plakate – Zeige deine Meinung!“ am 11. und 18. Oktober 2020 in Sonthofen. Im Rahmen der Veranstaltung sprachen sie nicht nur über verschiedene Protestbewegungen wie die Frauenbewegung der 1960er-Jahre, Fridays for Future oder Black Lives Matter, sondern schauten sich auch zahlreiche internationale Beispiele kreativer Protestplakate an und diskutierten darüber.
Ebenso wurde über die Verhaltensregeln und die rechtlichen Rahmenbedingungen von Demonstrationen gesprochen: Die jungen Teilnehmenden erfuhren, dass Demonstrationen angemeldet werden müssen und dass sie ruhig und friedlich verlaufen sollten, weil Gewalt dazu führen kann, dass viele Menschen sonst die Bewegung ablehnen könnten. In erster Linie gehe es bei einer Demo ja darum, möglichst viele Leute von der Sache oder der eigenen Meinung zu überzeugen.
Mitbestimmungsmöglichkeiten kennenlernen
Die Kinder und Jugendlichen sprachen auch über ihre eigenen Mitbestimmungsmöglichkeiten in der Familie und in der Schule. Dabei wurde deutlich, dass viele mit ihren Optionen gar nicht zufrieden waren – und dass viele ihre (Kinder-)Rechte nicht (gut) kannten.
„Wir suchten im Gespräch gemeinsam nach Lösungsansätzen für mehr Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen in ihrem Umfeld. Und dann begann der Prozess, wie diese Lösungen künstlerisch umgesetzt werden können“, berichtet Felicitas Aßmann von der Oberallgäuer Volkshochschule. Gerade für die jüngeren Teilnehmer*innen war es eine neue Erfahrung, dass sie selbst mehr Mitspracherechte einfordern können.
Die Teilnehmenden entwickelten eigene Text- und Motivideen, die sie mit verschiedenen Zeichen-, Mal- und Drucktechniken umsetzten. So entstanden viele Skizzen und schließlich farbenfrohe Plakate. Die Jüngeren hatten größeren Rede- und Anleitungsbedarf, während die Älteren recht schnell ihre eigenen Vorstellungen entfalteten und eigenständig skizzierten. Auch ein gemeinsames Kunstwerk entstand schließlich – nach langen Diskussionen über Form und Inhalt gestalteten die Teilnehmer*innen ein Stoffbanner mit der Aufschrift „Peace, please“.
Graffiti als (politisches) Ausdrucksmittel
Zahlreiche internationale Graffiti-Künstler*innen engagieren sich gesellschaftlich sowie politisch und nutzen ihre Street-Art-Kunst als Ausdrucksmittel im öffentlichen Raum. Ihnen eiferten die Teilnehmer*innen des Workshops „Graffiti – Wir sind bunt! Farbe verbindet“ am 8. und 15. November 2020 in Sonthofen nach. Der Dozent Dominik Ultes stellte in seiner Einführung einige dieser Künstler*innen und ihre Werke vor. Gleichzeitig ging er auf künstlerische Grundlagen und Techniken des Graffiti ein. Auch Grund- und Menschenrechte waren Thema der Einführung und den Jugendlichen standen viele Informations- und Anschauungsmaterialien zur Verfügung. Besonderen Anklang fanden Kataloge der NGOs „Posters for Tomorrow“ und „Posters for Change“, die zahlreiche Beispiele enthielten.
Barbara Bürckner, pädagogische Mitarbeiterin der Oberallgäuer vhsDie Idee, die theoretischen Graffti-Grundlagen gleich mit Motiven von politisch aktiven Graffiti-Künstler*innen zu verknüpfen, kam gut an. Anhand der Beispiele kam es zu vielen Diskussionen über politische Positionen und Meinungsfreiheit.
Natürlich wurden auch Verhaltenskodizes unter Graffiti-Künstler*innen und die rechtlichen Rahmenbedingungen besprochen – denn im öffentlichen Raum sind Graffitis nur auf bestimmten Flächen erlaubt. Der Workshopleiter appellierte an die Teilnehmer*innen, sich an die Regeln und Gesetze zu halten. Auch Respekt vor den Kunstwerken anderer und gewissen Hierarchien in der Sprayerszene gehöre dazu.
Mit der Sprühdose eigene Entwürfe umsetzen
Ausgestattet mit Atemschutzmasken durften die Jugendlichen bald erste Versuche mit der Sprühdose unternehmen – zunächst auf Folie und Pappe. Neben dem Umgang mit der Dose lernten die Teilnehmer*innen auch einiges über Bildaufbau, Entwurfsskizzen und Schablonentechnik – und wendeten dieses neue Wissen direkt selbst an. Mit speziellen Graffiti-Markern kamen bald sehr individuelle Entwürfe aufs Papier bzw. auf die Pappen und die Leinwände. An einigen Stellen wurde auch der Einfluss der vorgestellten Graffiti-Künstler*innen deutlich.
Besonders die Neonfarben kamen gut an und die Schablonentechnik wurde begeistert eingesetzt. Das Wetter war gut, sodass die Jugendlichen viel im Freien arbeiten konnten. Dabei waren sie sehr motiviert und produzierten ihre Kunstwerke weitestgehend eigenständig. Der Dozent Dominik Ultes begleitete sie in dieser kreativen Phase als Unterstützer und Berater. Ihm fiel auf, dass die Jugendlichen sich besonders bei der Entwicklung ihrer eigenen persönlichen Signatur, des sogenannten „Tags“, viel Mühe gaben – und so an ihrer Selbstwahrnehmung arbeiteten.
„Die Graffiti-Workshops wurden so gut angenommen, dass wir bereits Kinder und Jugendliche auf der Warteliste hatten. Leider konnten wir 2020 und 2021 pandemiebedingt nur jeweils 7 Teilnehmer*innen zulassen, aber wir werden die Kombination von politischer Bildung mit künstlerischer Praxis und Graffitisprayen auf jeden Fall wieder anbieten“, sagt Barbara Bürckner. Durch die inhaltlichen Inputs habe es viel Gesprächsstoff gegeben, über den die Jugendlichen sich auch während der kreativen Phasen austauschten, sodass ein Reflexionsprozess in Gang gesetzt wurde. Die künstlerischen Ergebnisse, die sie am Ende mit nach Hause nehmen durften, werden sie noch lange an die Workshops und ihr Recht auf Meinungsfreiheit und Mitbestimmung erinnern.