Die Ferienfreizeit „Spurensuche auf Schloss Schwarzburg“ der Volkshochschule Weimar ist ein herausragendes Beispiel für gelebte Partizipation in der politischen Bildung. Dieser Begriff, der so häufig verwendet wird, umfasst mehr als nur Teilhabe und Mitbestimmung. In ihm spiegeln sich Grundpfeiler der Demokratie und der Meinungsbildung wider. Doch wie lassen sich diese komplexen Ziele in einer Ferienfreizeit für Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren praktisch umsetzen?
Ein Kind fasste die Erfahrung treffend zusammen: „So frei habe ich mich noch nie gefühlt.“ Dieses Zitat bringt auf den Punkt, was Partizipation für die Jugendlichen bedeutet: Die Tage wurden individuell gestaltet, Bedürfnisse und Verantwortungen der Jugendlichen standen im Mittelpunkt. Die örtlichen Gegebenheiten, wie das historische Schwarzburg, wurden aktiv in das Projekt eingebunden, sodass die Jugendlichen nicht nur Teilnehmende, sondern Mitgestalter*innen ihrer Freizeit waren.
Schloss Schwarzburg als außerschulischer Lernort
Wer den Emporen- und Ahnensaal von Schloss Schwarzburg betritt, stößt auf eine faszinierende Mischung aus Geschichte und Verfall: Herausgerissene Wände, ein einsames Fragment Barockstuck an der Decke, Einschreibungen aus 80 Jahren an den Wänden, Holzbalken aus den 1940er Jahren, die sich in die Jahrhunderte alten Mauern bohren, Spuren eines Kamins, verblasste Ornamente. Diese Überreste wecken unweigerlich die Frage: Was ist hier geschehen? Es ist eine unmittelbare Einladung an junge Menschen, Geschichte hautnah zu erleben und zu entdecken. Und genau das ist das Konzept des außerschulischen Lernorts der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG), die mit Schloss Schwarzburg Verantwortung für einen ambivalenten Ort trägt. In Sichtweite des Hotels, wo Friedrich Ebert 1919 die Weimarer Verfassung unterschrieben hat, wollten die Nationalsozialisten in den Jahren 1940 bis 1942 die 900 Jahre alte Schlossanlage in ein Reichsgästehaus umbauen. Durch brachiale Umbaumaßnahmen wurden ganze Schlossflügel und die Schlosskirche, von der nur der Kirchturm übrig ist, eingerissen. Zurückgeblieben ist eine Bauruine, die jahrzehntelang leer stand und seit 1994 von der STSG schrittweise gesichert und wieder zugänglich gemacht wird. Heute dient Schloss Schwarzburg als Ort der Demokratie- und Diktaturgeschichte für die Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Das Hauptschloss mit seinen gezielt sichtbar gelassenen Überresten der verschiedenen Zeitschichten eignet sich durch diese „Spuren- und Zeitenlese“ als besondere kulturhistorische Quelle für forschendes und partizipatives Lernen.
Jugendbeteiligung auf Schloss Schwarzburg: Von der Zeitkapsel zur digitalen Schnitzeljagd
Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen: Während des Aufenthaltes auf der Schwarzburg wurden die Auswirkungen der Jugendbeteiligung besonders deutlich. Während des Projekts im Jahr 2023 füllte die Jugendgruppe eine Zeitkapsel für den Kirchturmknopf und wünschte sich mehr Zeit im umliegenden Wald. Bei der Projektumsetzung 2024 wurden die Vorschläge der Jugendlichen für die Ferienfreizeit durch eine organisierte Waldwanderung mit der Revierförsterin und einer Waldpädagogin von ThüringenForst direkt umgesetzt. Aber auch umgekehrt fließen die Ideen für Schloss Schwarzburg in die Weiterentwicklung des Lernortes ein, etwa der Wunsch nach einer digitalen Schnitzeljagd im Jahr 2023 und der Test eines Actionbounds sowie die Rückmeldungen im Sommer 2024. Außerdem wurde bei den Führungen auf die Bedürfnisse und Interessen der Jugendlichen eingegangen, was zu einem tieferen Verständnis der Geschichte des Ortes führte. Darüber hinaus wurden sie angeregt, sich als Bürger*innen als künftige Erben dieses Kulturgutes zu verstehen und sich mit den Fragen, was sie mit diesem Ort machen würden und wofür überall in der Gesellschaft öffentliche Gelder benötigt werden, auseinanderzusetzen.
Peer-Teamer*innen und zielgruppengerechte Ansprache
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Projekts war die Rolle der Peer-Teamer*innen. Diese Jugendlichen, die innerhalb der Gruppe Verantwortung übernahmen, fungierten als Vorbilder und halfen, den Zugang zur Partizipation niedrigschwellig zu gestalten. Ihre Aufgaben reichten von der Übersetzung ins Ukrainische bis zur allgemeinen Unterstützung der Gruppe. Dieses Konzept zeigte den jüngeren Teilnehmenden, dass auch sie in Zukunft eine solche Rolle übernehmen könnten.
Der Anmeldeprozess der Ferienfreizeit folgte einer klar strukturierten und zielgruppenspezifischen Strategie, die in mehreren Schritten ablief. Zuerst wurden Jugendliche aus der Jugendhilfe, dann aus Jugendclubs berücksichtigt, bevor die restlichen Plätze über die vhs für alle geöffnet wurden. Zudem wurde nur eine Anmeldegebühr erhoben.
Gute politische Bildung erfordert Pädagog*innen, die nah an den Kindern und Jugendlichen sind und über die notwendige Fachexpertise verfügen. Diese Fachexpertise wurde im Schwarzburg-Projekt durch die Verbindung von historisch-politischer Bildung und pädagogischem Geschick gewährleistet. Dabei wurde darauf geachtet, dass Partizipation nicht nur ein Schlagwort bleibt, sondern für die Jugendlichen als sichtbare und selbstwirksame Erfahrung erlebbar wird.
Belebung von Schwarzburg und Förderung der lokalen Wirtschaft
Ein Nebeneffekt der Ferienfreizeit war die positive Auswirkung auf das Dorf Schwarzburg, das als Sommerfrische-Ort seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der DDR sehr vom Tourismus geprägt war und dann durch Arbeitslosigkeit und Abwanderung tiefe Einschnitte erlebt hat: Der Ort wurde während der Ferienfreizeiten wieder mit jungen Menschen belebt. Ein ehemaliges Sommerfrische-Hotel und eine der wenigen Gaststätten des Ortes waren für einen Monat ausgebucht. Dies zeigt, wie Projekte dieser Art nicht nur die Teilnehmenden, sondern auch die Bevölkerung und lokale Wirtschaft im ländlichen Raum unterstützen können.
Die Ferienfreizeit zeigt eindrucksvoll, wie das (ehrenamtliche) Engagement von Menschen zur Stärkung demokratischer Strukturen beiträgt. Wie es im nächsten Jahr weitergeht, bleibt abzuwarten. Wer sich jedoch fragt, wie ein solches Großprojekt organisiert und durchgeführt werden kann, sollte sich an die Verantwortlichen vor Ort wenden. Sie haben bewiesen, dass Partizipation in der politischen Bildung nicht nur möglich, sondern auch erfolgreich und bereichernd ist.
Wer mehr über das Projekt erfahren möchte, kann sich an Kenneth Schöler (Öffnet in einem neuen Tab) von der Volkshochschule Weimar wenden.