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Deutscher Volkshochschul-Verband

Der NSU in Jena

Jugendliche setzten sich bei Schulprojekttagen in Jena im Juli 2021 anhand der Ausstellung „Offener Prozess“ intensiv mit dem NSU-Komplex, mit Opfern rechter Gewalt und mit institutionellem Rassismus auseinander.

von Katharina Reinhold

Der NSU

Zwischen 2000 und 2007 ermordete die rechtsextreme Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund” (NSU) zehn Menschen und beging zahlreiche Straftaten. Die Anfänge des NSU liegen in Jena, wo Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich kennenlernten und in den 1990er-Jahren eine rechtsextreme Kameradschaft gründeten. Die Selbstenttarnung des NSU-Trios im November 2011 war der Beginn der Aufarbeitung der Verbrechen, zahlreicher Untersuchungsausschüsse und eines Prozessmarathons. Die Familien der Opfer, zahlreiche Betroffene und viele Bürger*innen und Organisationen halten die Verbrechen jedoch noch immer nicht für vollständig aufgeklärt. Sie beklagen strukturellen Rassismus und sehen die Rolle der Sicherheitsbehörden in den Ermittlungen sehr kritisch. Viele Menschen vermuten ein wesentlich größeres Netzwerk von Unterstützer*innen hinter den Taten und sprechen daher vom NSU-Komplex.

Die Ausstellung „Offener Prozess”

Die Wanderausstellung „Offener Prozess“, die im Sommer 2021 in Jena gezeigt wurde und deren Exponate größtenteils auch online verfügbar sind, widmet sich dem NSU-Komplex. Sie besteht größtenteils aus Videos, Filmen und künstlerischen Arbeiten. Sie nimmt dabei die ostdeutsche Realität als Ausgangspunkt und richtet den Blick z. B. auf die Migrationsgeschichten der DDR-Vertragsarbeiter*innen sowie die Kontinuitäten rechter und rassistischer Gewalt und des Widerstandes dagegen. Mit dem Ansatz eines „lebendigen Erinnerns” rückt die Ausstellung nicht nur marginalisierte Perspektiven, sondern auch die Opfer und ihre Familien in den Mittelpunkt. Dabei werden konkrete Ausformungen wie rechtsterroristische Gewalt, Alltagsrassismus und institutioneller Rassismus in ihren Wechselwirkungen beleuchtet. Die Ausstellung war vom 17. Juli bis 15. August 2021 in der Kunstsammlung Jena (Öffnet in einem neuen Tab) zu sehen. 

Durch die enge Verbindung des NSU-Trios mit der Stadt Jena haben sich viele dort lebende Erwachsene bereits intensiver mit dem Thema auseinandergesetzt. Aber wie steht es mit den Jugendlichen? Werden die Taten des NSU und das Thema Rechte Gewalt systematisch in den Schulen bearbeitet? Das Projektteam der vhs Jena, des Stadtmuseums und der Ausstellungsmacher*innen und Pädagog*innen nahm die Ausstellung zum Anlass, im Juli 2021 Projekttage zu veranstalten, bei denen junge Menschen sich intensiv mit einzelnen Themenkomplexen beschäftigen konnten.

Zunächst wurden die Jugendlichen von Museumspädagog*innen in die Ausstellung eingeführt und sahen sich gemeinsam mehrere filmische Exponate an. Darin ging es um die deutsche Migrationsgesellschaft, Rassismus und den NSU-Komplex. Anschließend führten Referent*innen der politischen Bildung Workshops mit den Jugendlichen durch. Im Rahmen eines Speeddatings tauschten sie sich in Paaren zu folgenden Fragen aus: Welches Exponat ist im Kopf geblieben? Wie habt ihr euch beim Schauen gefühlt? Was wusstet ihr vorher zum NSU-Komplex? Was sind eure Fragen zum Thema? 

Weitere Recherchen und Gruppendiskussion

Anschließend beschäftigten sich die Teilnehmenden in Zweierteams jeweils mit der Biografie einer vom NSU ermordeten Person und stellten sie den anderen vor. Anhand eines Films diskutierten die Jugendlichen die Ermittlungen im NSU-Komplex und das Thema institutioneller Rassismus. Auch zur Rolle ihrer Heimatstadt recherchierten sie anhand einer interaktiven Karte. Ausgehend von Orten, die sie selbst kennen, lasen die Schüler*innen Einträge über Tatorte vor dem Untertauchen, frühere Wohnorte der Täter*innen etc. und tauschten sich in großer Runde über ihre Erkenntnisse aus. Abschließend ging es um die Frage, wie die Jugendlichen selbst in ihrem Alltag aktiv werden können, um sich gegen Ideologien der Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und andere Diskriminierungsformen zu positionieren und zu engagieren. Grundlage für die Projekttage bildete das Methodenhandbuch zur Ausstellung „Offener Prozess“ (Öffnet in einem neuen Tab).

Besonders intensiv diskutierten die Gruppen über die Definition von Rassismus sowie die Fragen, wie das NSU-Netzwerk entstehen konnte und wieso der NSU so lange nicht gestoppt wurde. Einige Jugendliche hatten sich bereits mit dem Thema NSU beschäftigt, unter anderem in der Schule. Über das Leben der Ermordeten und die Perspektiven der Betroffenen und Angehörigen wussten sie jedoch noch wenig.

Der Austausch machte deutlich, wie aktuell die Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und rechter Ideologie für die Teilnehmenden ist. Es zeigte sich auch, wie unterschiedlich Schulen mit dem Themenkomplex umgehen. Solche Projekttage sind eine wertvolle Ergänzung zum regulären Unterricht. Und die Schulen sind überaus dankbar über kursergänzende Projekte, die inhaltlich, organisatorisch und finanziell solide geplant sind und in sehr guter Kommunikation durchgeführt werden.

Dr. Angela Anding, Leiterin der vhs Jena

Die vhs Jena arbeitete bei dem Projekt mit dem Stadtmuseum Jena, dem ASA FF e. V. als Ausstellungsmacher, der Staatlichen Gemeinschaftsschule Montessorischule, dem Carl-Zeiss-Gymnasium sowie den vom ASA FF ausgebildeten Teamer*innen zusammen. „Die Zusammenarbeit war insgesamt sehr positiv. Die zahlreichen Kooperationspartner machten zwar im Vorfeld viele inhaltliche und organisatorische Absprachen notwendig, die sehr zeitaufwändig waren, es hat sich aber absolut gelohnt“, resümiert Dr. Anding.

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Bildnachweise

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