Im Sommer 2023 fand sich in Thüringen die Initiative WELTOFFENES THÜRINGEN zusammen, deren vorrangiges Ziel es ist, im Superwahljahr 2024 in Thüringen mit Kommunal-, Europa- und Landtagswahlen einem befürchteten Rechtsruck in der politischen Landschaft entgegenzuwirken.
Während sich bei den Kommunalwahlen am 26. Mai die extremen Kräfte nicht wie vorhergesagt durchsetzen konnte, waren ihre Zugewinne bei den Europawahlen alarmierend. Grund und Herausforderung genug für die Initiative, vor den Landtagswahlen in Thüringen am 01. September aktiv zu bleiben.
Eine der Initiatorinnen der Initiative WELTOFFENS THÜRINGEN war die Volkshochschule Weimar. Ulrich Dillmann, scheidender Leiter der vhs Weimar, resümiert den aktuellen Stand der Bewegung.
Ulrich Dillmann, Leiter der vhs WeimarIn einer globalisierten Welt ist eine Abschottung nach außen einfach nicht vermittelbar, würde den Wohlstand im Freistaat hemmen und das gesellschaftliche Leben einschränken.
Herr Dillmann, was war der Grund für die Entstehung der Initiative WELTOFFENES THÜRINGEN?
Ulrich Dillmann: Im Jahr 2022 mehrten sich in Weimar die rechtsextremen Übergriffe, Stolpersteine wurden beschmiert, Gedenkbäume an die Opfer des NS-Regimes gefällt, Fenster eines Szene-Treffs beschmiert usw., außerdem fand und findet in Weimar immer noch regelmäßig ein sogenannter „Montagsspaziergang“ statt.
Uns bereitete das Sorge und so sind wir im November 2022 auf die Mitunterzeichner der „Weimarer Erklärung für demokratische Bildungsarbeit“ aus dem Jahr 2019 und der „Weimarer Erklärung für ein solidarisches Miteinander“ von 2022 zugegangen und haben eine Initiative hinsichtlich des Superwahljahres 2024 angeregt. Daraus ist dann WELTOFFENES THÜRINGEN entstanden.
Welche waren die ersten Schritte der Initiative?
Ulrich Dillmann: Zunächst einmal mussten wir uns mit den anderen Einrichtungen verständigen, in welche Richtung wir überhaupt gehen wollen, wie unsere Haltung ist. Bei so großen Organisationen wie der Klassik Stiftung Weimar, der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora oder der Europäischen Jugendbildungs- und Jungendbegegnungsstätte Weimar, die einen maßgeblichen Anteil an der Entwicklung der Initiative hatte, bedarf das natürlich einer genauen Abstimmung. Entwickelt wurde aus diesem Gedankenaustausch ein Strategiepapier, mit dem wir gemeinsam nach außen gehen konnten.
Blieb es bei diesem Papier?
Ulrich Dillmann: Nein, natürlich nicht, denn uns war schnell klar, dass wir mit einer Erklärung allein kaum etwas bewegen können. Es musste mehr Leben in die Initiative und dafür mussten wir sie für weite Gesellschaftsbereiche öffnen. So sind wir also aus den Kultur- und Bildungseinrichtungen heraus z. B. auf die Wirtschaft, den Sport, das Handwerk und auch auf einzelne Menschen zugegangen und haben über die WELTOFFENES THÜRINGEN informiert. Gleichzeitig entstand der Internetauftritt thueringen-weltoffen.de (Öffnet in einem neuen Tab), der für die Kommunikation und Solidarisierung mit der Initiative sehr wichtig ist, der Informationen ebenso wie Downloads für Banner, Plakate, Roll-ups bereithält und auf dem man sich mit der Initiative mit seiner Unterzeichnung oder seinem Logo solidarisieren kann.
Wie war die Resonanz?
Ulrich Dillmann: Überraschend gut. Obwohl wir noch gar nicht an die Öffentlichkeit herangetreten waren, solidarisierten sich durch die parallel entstehende Social-Media-Strategie und auch durch Mund-zu-Mund-Propaganda bereits in kürzester Zeit zahlreiche Unternehmen, Vereine, Handwerksbetriebe, soziale Einrichtungen und auch zahlreiche Einzelpersonen mit der Initiative. Damit hatten wir nicht gerechnet und es wurde schnell klar, dass wir dieses Engagement nutzen müssen, um die Initiative breiter aufzustellen.
Was waren die nächsten Schritte?
Ulrich Dillmann: Zunächst einmal die öffentliche Präsentation der Initiative. Das war am 25. Januar. Durch die intensive Öffentlichkeitsarbeit waren wir in den öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen zur Hauptsendezeit ebenso vertreten wie in der regionalen und überregionalen Presse. Und natürlich wurde im Internet heftig geschrieben, gepostet und kommentiert. Zu der Zeit hatten wir ungefähr 6.600 Unterzeichnende. Wichtig aber waren nach dem Pressetermin vor allem die Vernetzungstreffen. Wer kann welche Aufgaben übernehmen? Wie kommen wir an die ländliche Bevölkerung heran? Welche Wege der Information müssen wir gehen? Diese Treffen halten bis heute in gesamt Thüringen an und aus Ihnen sind zahlreiche Veranstaltungen entstanden, bei denen wir auf die Öffentlichkeit zugehen und Informationen geben, was ein politischer Rechtsruck für den Freistaat, die Städte und Dörfer und somit für die Menschen bedeuten würde.
Nämlich?
Ulrich Dillmann: Neben der Einschränkung der Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens und der Verhärtung der politischen Auseinandersetzung befürchtet die Wirtschaft z. B. eine deutliche Minderung ihrer Möglichkeiten. Schon heute fragen auswärtige Unternehmen an, wie eine rechtsextreme politische Ausrichtung in Thüringen sich u. a. auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten, auf die Beschäftigung ausländischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auf die damit verbundene gesellschaftliche und politische Offenheit auswirken könnte. In einer globalisierten Welt ist eine Abschottung nach außen einfach nicht vermittelbar, würde den Wohlstand im Freistaat hemmen und das gesellschaftliche Leben einschränken. Das wissen die Wirtschaftsunternehmen ganz genau, die natürlich Angst vor Auftragsrückgängen haben und dementsprechend sensibilisiert sind. Das gilt aber auch für den Sport, die Kunst und Kultur – für das gesamte gesellschaftliche Leben.
Welche Wege werden Sie in den nächsten Monaten gehen?
Ulrich Dillmann: Wir müssen den Austausch mit den Menschen weiter forcieren. Auch mit denen, die sich scheinbar schon entschieden haben. Nicht an der Regierung zu sein heißt ja nicht, dass es keine politischen Folgen gibt. Sperrminoritäten, wichtige Sitze mit politischen Auswirkungen in den Ausschüssen, Blockaden im Parlament – all das ist auch in der Opposition möglich und in einer demokratischen Welt auch nachvollziehbar – in den Händen von Rechtsextremen allerdings sind es Elemente zur Zersetzung unserer demokratischen Welt. Soweit muss es aber nicht kommen. Hinter WELTOFFENES THÜRINGEN hat sich eine Vielzahl an Menschen und Institutionen zusammengefunden, um dem etwas entgegenzusetzen. Nun gilt es die demokratischen Kräfte zu aktivieren, damit Thüringen auch in Zukunft für alle lebenswert bleibt.
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