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Deutscher Volkshochschul-Verband

Jugend trainiert Toleranz

Junge Multiplikator*innen lernen, Ausgrenzungsmechanismen und
Alltagsrassismus zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.

Wie fühlt es sich an, Teil einer Mehrheit zu sein? Was bedeutet es, auf der anderen, „schwächeren“ Seite zu stehen? Welche Strategien gibt es, um gegen Mobbing und Diskriminierung vorzugehen und Zivilcourage auszuüben? Wie verhalte ich mich in bestimmten Situationen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich 15 Jugendliche bei einem Anti-Rassismus-Training des Bayerischen Seminars für Politik e. V.

„Die Teilnehmenden wurden durch gezielte Übungen in die Lage versetzt, in einem Rollenspiel sowohl Ausgrenzung zu erleben als auch selbst andere auszugrenzen. Auf diese Weise wurden sie dafür sensibilisiert, künftig schneller zu erkennen, ob eine Ausgrenzung stattfindet. Im besten Fall können sie daher nun früher reagieren, um sich selbst und Andere davor zu schützen”, berichtet Suzan Çakar, die Projektverantwortliche vor Ort.

Austauch über eigene Erfahrungen

Anhand von Gesprächen und verschiedenen praktischen Übungen wurde versucht, die eigenen Erfahrungen mit Alltagsrassismus und Ausgrenzung zu verstehen. Zunächst verschafften sich die jungen Teilnehmenden einen Überblick über rassistische Tendenzen in Bayern, Deutschland und Europa. Dabei analysierten sie intolerante und diskriminierende Meinungen und Kommentare in sozialen Netzwerken. Reaktionsmöglichkeiten auf derlei Äußerungen wurden in der Gruppe besprochen. Auch mittels verschiedener Abbildungen, wie zum Beispiel Karikaturen, wurden die Jugendlichen animiert, sich dazu zu äußern, was in ihren Augen rassistisch ist. Hierbei wurden oftmals schon eigene Erfahrungen thematisiert.

Übungen zu Ausgrenzung und Zusammenhalt

Bei der ersten praktischen Übung erhielt die Gruppe die Aufforderung, „sich zu sortieren“, ohne dabei miteinander zu sprechen. Zuvor war allen Teilnehmer*innen ein verschiedenfarbiger Punkt auf den Rücken geklebt worden. Automatisch führte die Aufforderung dazu, dass die Mehrheit die Personen mit einem andersfarbigen Punkt „aussortierte“. Bei der Nachbesprechung wurde den Jugendlichen bewusst, dass die Spielanweisung auch andere Möglichkeiten der Sortierung offen gelassen hatte, z. B. nach Geschlecht, Körpergröße, Augen- oder Haarfarbe. Der Impuls zur Aufteilung in eine Mehrheit und andersfarbige Minderheiten – und somit zur Ausgrenzung der letztgenannten – kam also aus ihnen selbst heraus. Bei dieser Übung erlebten die angehenden Multiplikator*innen, dass jede*r gewisse Vorurteile hat und grundsätzlich in der Lage ist, andere auszugrenzen oder zu diskriminieren.

Bei der zweiten Übung, dem „Stühlerücken“, sollten die jungen Multiplikator*innen spielerisch lernen, miteinander zu kooperieren und aufeinander achtzugeben. Hierbei wurden den Teilnehmer*innen nach und nach immer mehr Stühle weggenommen, sodass sie zusammenrücken, sich absprechen und gegenseitig Halt geben mussten. Durch diese Erfahrung sollte die Bedeutung des Zusammenhalts in einer Gesellschaft hervorgehoben werden.

Eigene Verhaltensmuster reflektieren

Gerade mithilfe der Übungen zum Thema Diskriminierung und Ausgrenzung konnten Erkenntnisse über eigene Verhaltensmuster, gesellschaftliche Zwänge und darüber, wie man diese durchbrechen kann, gewonnen werden. „Die Teilnehmenden waren zum Teil sehr überrascht, wie sie sich in bestimmten Übungen verhalten haben und welchen Einfluss die Gruppendynamik hatte”, berichtet Suzan Çakar. Die Jugendlichen konnten so ganz praktisch erleben, wie sich Ausgrenzung oder die Ausübung der eigenen Macht anfühlen, und konnten anschließend in einem geschützten Raum unter Anleitung besprechen, wie ihr Gegenüber ihr Verhalten oder Eingreifen wahrgenommen und empfunden hat.

Multiplikator*innen für „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“

Ein wesentliches Ziel des Seminars war es auch, die jungen Menschen in ihrer Tätigkeit als Multiplikator*innen zu begleiten, ihnen Hilfestellungen zu geben, schwierige Fälle nachzubesprechen und ihnen neue Handlungsmöglichkeiten oder Sichtweisen an die Hand zu geben. Da das Anti-Rassismus-Training vor allem als Vermittlung von praktischem Handwerkszeug verstanden wird, gibt es immer wieder Jugendliche, die die Übungen weitergeben und mit anderen Gruppen durchführen. Die Möglichkeit, in einem geschützten Raum – ohne Lehrkräfte, die als Bewertende auftreten – Meinungen zu äußern, Dinge zu hinterfragen und das eigene Wissen anzuwenden, bildet hierbei eine unerlässliche Bereicherung für die (gesellschafts-)politische Bildung der jungen Menschen.

Dieser Artikel wurde von Suzan Çakar und Stephanie Becker verfasst.

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