Die Europäische Union (EU) befindet sich aktuell in einer Transformations- und Orientierungsphase (u. a. „Brexit“, Erstarken rechtspopulistischer, europafeindlicher Bewegungen). In diesem Kontext ist es wichtig, junge Menschen auch in den politischen Diskurs Europas einzubinden und ihre Positionen zu hören. Vor diesem Hintergrund setzt die Zentralstelle für Politische Jugendbildung im DVV bereits seit 2016 in verschiedenen Städten Deutschlands gemeinsam mit lokalen Volkshochschulen und Jugendhilfeträgern Dialogveranstaltungen in (historischen) Straßenbahnen um.
Debatten über Europa in ungewöhnlicher Gesprächsatmosphäre
Die Straßenbahn wird als alltägliches Verkehrsmittel von allen sozialen Gruppen genutzt. Sie bietet daher eine niedrigschwellige und zugleich ungewöhnliche Gesprächsatmosphäre jenseits bekannter, tendenziell wenig jugendaffiner politischer Talkrunden. Das Konzept sieht vor, dass Jugendliche mit Expert*innen aus Politik, Medien, Kultur und Gesellschaft (z. B. EU-Abgeordnete, Aktivist*innen oder Journalist*innen) über ihre Vorstellungen von Europa (und weitere politische Zusammenhänge) diskutieren. Die jungen Menschen bereiten sich im Rahmen eines Vortreffens in Begleitung von vhs-Angestellten auf die Veranstaltung vor. Ziel ist, dass Jugendliche sich nicht als Gegenstand, sondern als Teil politischer Prozesse begreifen, die sie mitgestalten können.
Exemplarischer Veranstaltungsablauf
Zu Beginn der Veranstaltung in der Straßenbahn führt ein*e Moderator*in die Expert*innen sowie die jugendlichen Teilnehmenden ein und moderiert eine Vorstellungsrunde. Im anschließenden Hauptteil sollen vier Kleingruppen abwechselnd mit je einer bzw. einem der vier Expert*innen aus Politik, Medien, Kultur und Gesellschaft über das Thema „Europa“ diskutieren. Die Gruppenwechsel werden von der Moderatorin bzw. dem Moderator angesagt. Während der Diskussionsrunden sammelt diese*r O-Töne und Eindrücke aus den Gesprächsgruppen. Nach der Diskussion fasst die*der Moderator*in die wesentlichen Ergebnisse der Gesprächsrunden zusammen. Offene Fragen können dann im Plenum besprochen werden.
Die Veranstaltung sollte im Rahmen eines Workshops (ca. sechs Unterrichtseinheiten) mit den Jugendlichen vorbereitet werden. Dort können Themen und Fragen identifiziert werden, die die Teilnehmenden bewegen und die sie gerne während der Tramfahrt mit den Expert*innen diskutieren möchten.
Für die Diskussionsveranstaltung in der Straßenbahn sollte eine Gesamtdauer von ca. zwei Stunden eingeplant werden. Hinzukommt ein Vorbereitungsworkshop (sechs Unterrichtseinheiten à 45 Minuten), der am Vortag oder einige Tage im Vorhinein stattfinden sollte. Auch eine Nachbereitung und Aufarbeitung der Diskussionsveranstaltung ist im Rahmen eines Workshops möglich.
Als Zielgruppe können 16 bis 20 Jugendliche im Alter von 16 bis 26 Jahren angesprochen werden.
Praxisbeispiele
Seit 2016 hat das Projekt bereits in zahlreichen Städten stattgefunden – darunter Augsburg, Braunschweig, Bochum, Erfurt, Görlitz, Nürnberg und Schwerin. Zudem wurde das Konzept auch kreativ weiter entwickelt oder auf vor Ort zur Verfügung stehende Verkehrsmittel ausgeweitet. So fand die Diskussionsveranstaltung, die die vhs Minden 2019 umsetzte, nicht in einer Tram, sondern auf einem Schiff statt. Auch andere Themenschwerkpunkte sind denkbar, wie beispielsweise das Tramprojekt in Nürnberg zeigt, dass sich rund um die anstehenden Kommunalwahl drehte.