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Deutscher Volkshochschul-Verband

Mauern überwinden? Geht doch!

Alexandra, Malik, Leonardo und Uwe verantworteten die Orga. Florence, Gulistan, Simav, Ali und auch Uwe übernahmen die Theaterrollen. Unterstützt wurden sie von Ahmed in der Regieassistenz. Alles wurde selbst gemacht: Kostüme, Bühnenbild, Licht, Sound, Regie und Dramaturgie.


von Sabine Giehle

Mauern zum Einsturz bringen

Neun junge Menschen aus Eisenach, Jungen und Mädchen, Gymnasiast*innen und Regelschüler*innen, aus Deutschland, Somalia und Syrien, mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen wollten gemeinsam etwas schaffen. Ihr Ziel: Zum Internationalen Sommerfest in Eisenach ein Theaterstück aufführen, das Mauern überwindet.

Organisiert hat das Theaterprojekt die Volkshochschule gemeinsam mit dem Kunstverein Eisenach. „Das Theaterstück ‚Der erste Blick‘ von Susann Hill hat sich als gute Wahl erwiesen. Damit konnte man sehr gut daran arbeiten, innere und äußere Mauern zu erkennen, zu benennen und damit Vorurteile und Schwellenängste abzubauen“, erläutert Museumspädagogin Alexandra Husemeyer, die das Projekt für den Kunstverein Eisenach betreute. In dem Stück begegnen sich ein Junge und ein alter Mann. Diese Begegnung veranlasst die beiden dazu, ihre Vorurteile zu überwinden und ihren einengenden Blick auf die Welt infrage zu stellen.

Intensive Vorbereitungen

Sie trafen sich über Wochen und Monate – nach der Schule und in den Ferien. „Am Anfang war es ein bisschen schwierig, da nicht alle immer so viel Zeit hatten. Aber dann gab es eine feste Gruppe, die engagiert bis zu den Aufführungen arbeitete“, erzählt Christiane Leischner, die von Seiten der vhs Eisenach für das Projekt zuständig war.

Aber das war nicht die einzige Anlaufschwierigkeit. „Wir haben komplett unterschätzt, dass nicht alle wussten, was Theater überhaupt ist“, erinnert sich Alexandra Husemeyer. „Einige waren noch nie in einem Theater. Deshalb änderten wir den Ablauf und besuchten zunächst eine Vorstellung.“

Hürden gemeinsam überwinden

Weitere Hürden galt es zu überwinden, Mauern niederzureißen: „Es gab Teilnehmende, die sich zunächst weigerten, im Stück einen negativen Charakter zu spielen, weil ihnen nicht klar war, was Theaterspielen bedeutet“, erläutert Husemeyer. Diese Vorbehalte aufzulösen, war nicht ganz einfach. Geschafft haben sie es dann doch, vor allem durch die Unterstützung der anderen Jugendlichen. „Am Ende war der Erkenntnisgewinn auf beiden Seiten enorm“, stellt Husemeyer fest.

Geht doch!

Auch Rollenbilder wurden aufgebrochen. Eines der Mädchen, erzählt Husemeyer, war der festen Überzeugung, dass sie keine Jungenrolle spielen dürfe. „Doch dann erlebte sie bei den anderen: Das geht sehr gut. Und schon am nächsten Tag kam sie mit Baseballkappe und Jeans und verwandelte sich in einen Jungen“, erinnert sich Husemeyer.

Die Projektarbeit ließ viel Zeit für Gespräche und Reflexionen. Die Gruppe wuchs zusammen. „Die Jugendlichen gingen absolut respektvoll miteinander um“, betont Husemeyer. „Die deutschen Teilnehmenden waren unglaublich wohlwollend, die jungen Menschen aus Syrien und Somalia fassten Mut, schlossen Freundschaften.“

Jede*r übernahm Verantwortung und hatte spezielle Aufgaben, die zielgerichtet verfolgt wurden: Die Rollen mussten eingeübt, das Bühnenbild gestaltet, Sound- und Lichtkonzepte entwickelt und der Umgang mit der Technik erlernt werden. „Täglich konnte man beobachten, wie das Selbstvertrauen wuchs“, freut sich Alexandra Husemeyer.

Endlich: Auf der Bühne

Am 17. August war dann Premiere auf dem Internationalen Sommerfest in Eisenach (Öffnet in einem neuen Tab). Dort trafen sich Menschen aus verschiedenen Kulturen, um gemeinsam zu feiern: Es gab Kreativworkshops für Kinder, eine Podiumsdiskussion zum Thema Freiheit und nach dem Abendessen dann die Aufführung des Theaterstücks „Der erste Blick“ der Theaterprojektgruppe.

„Es war großartig, dass uns für die Aufführung professionelle Technik und genügend Material für das Bühnenbild zur Verfügung stand“, erklärt Husemeyer. „Die Jugendlichen staunten selbst, wie professionell das wirkte.“

„An den Gesichtern der Zuschauer sah man, wie beeindruckt sie waren. Es war ein wirklich schönes Erlebnis, zu sehen, was junge Menschen schaffen können“, stellt Christiane Leischner von der vhs Eisenach fest.

Das Ziel, Jugendliche aus Eisenach mit unterschiedlichen sozialen und Bildungshintergründen zusammenzubringen, hat der Workshop erreicht. „Vorurteile wurden dauerhaft eingerissen, Selbstverantwortlichkeit und Selbstvertrauen gestärkt“, resümiert Husemeyer.

Und das Projekt ging noch weiter: Einen Monat später war die Gruppe eingeladen, ihr Stück auf den ACHAVA-Festspielen Thüringen aufzuführen. Das interkulturelle jüdische Festival fand in diesem Jahr erstmals auch in Eisenach statt – und Ali, Ahmed, Alexandra, Leonardo, Malik, Uwe, Florence, Gulistan und Simav waren mit dabei.

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Bildnachweise

  • Getty Images / CrazyD
  • Lars Gebauer
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