Welche Themen bewegen junge Menschen im Vorfeld der Bundestagswahl 2017? Welche Anliegen haben sie an die Kandidatinnen und Kandidaten ihres Wahlkreises? Dies waren die Ausgangsfragen für die Diskussionsveranstaltung im Rahmen des Sonderprojekts „(Un-)Politische Jugend im Wahljahr 2017?! Jugendliche fragen nach“, die am 11. Mai 2017 in der Ada-und-Theodor-Lessing-Volkshochschule in Hannover stattfand.
Oft ist über eine politisch desinteressierte Jugend geschrieben worden und nicht selten wird ihr eine „Politikverdrossenheit“ attestiert. Ganz unabhängig des Alters findet sich in unterschiedlichen gesellschaftlichen Statusgruppen teilweise ein massives Misstrauen gegenüber politischen Prozessen und Akteuren. Studien zeigen etwa einen Zusammenhang zwischen feindseligen Einstellungen gegenüber Minderheiten und einer hohen Skepsis gegenüber dem demokratischen System insgesamt. Andere Untersuchungen, etwa die Shell-Studie, zeigen zudem, dass Jugendliche sich von der Politik nicht ausreichend wahrgenommen fühlen.
Unpolitische Jugend? Von wegen!
Um Jugendliche und junge Erwachsene in den politischen Diskurs einzubinden, haben der Deutsche Volkshochschul-Verband e.V. (DVV) und die Volkshochschule Hannover vier Bundestagsabgeordnete aus Hannoveraner Wahlkreisen zum Gespräch eingeladen. Neben der SPD-Abgeordneten Caren Marks, die seit 2013 zudem Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist, und Dr. Hendrik Hoppenstedt, der für die CDU im Bundestag sitzt, nahmen die Bundestagsabgeordneten Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) sowie Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) an der Veranstaltung teil.
Dabei zeigte sich vor allem, dass von einer politisch desinteressierten Jugend nicht die Rede sein kann. Im Gegenteil: Die prominenten Gäste mussten sich zwei Stunden den Fragen und Anliegen der ca. 50 gut präparierten Jugendlichen stellen – und taten das mit sichtbarer Freude. Neben bundespolitischen Problemstellungen standen auch lokal- und europapolitische Themen auf der Agenda. Der angespannte Wohnungsmarkt in Hannover, Waffenexporte und die Flüchtlingspolitik waren ebenso Gesprächsgegenstand wie kritische Fragen zu Lobbyismus und Abgeordnetenentschädigungen.
Intensive Gespräche mit allen vier Bundestagsabgeordneten
Da jeweils in kleinen Gruppen diskutiert wurde, kamen zahlreiche vertiefte Gespräche in einer persönlichen Atmosphäre zustande. Nach einer festgelegten Gesprächszeit wechselten die Jugendlichen jeweils den Tisch und damit auch die Gesprächspartnerin bzw. den Gesprächspartner, sodass sie jede Politikerin bzw. jeden Politiker kennenlernen und mit diesen über die für sie relevanten Fragen und Probleme diskutieren konnten.
Die jungen Akteure haben sich im Rahmen eines eintägigen vhs-Kurses intensiv auf die Veranstaltung vorbereitet. Dabei wurden bedeutsame Themen identifiziert, aber auch kommunikative Fähigkeiten verfeinert, denn für viele Jugendliche ist eine solche Diskussionsrunde – zumal mit Persönlichkeiten, die mitunter rhetorisch geschult sind – doch eine ungewohnte Situation. Unterstützt wurden die jungen Leute während der Veranstaltung von Moderatorinnen und Moderatoren, die dafür sorgten, dass die Gespräche an den Tischen keinen einseitigen Verlauf nahmen und Jede bzw. Jeder seine Position vortragen konnte. Zudem war eine Gesamtmoderatorin dafür verantwortlich, durch die Veranstaltung zu führen, den Ablauf des World Cafés zu erklären, Tischwechsel anzusagen, Zwischenergebnisse grafisch zu dokumentieren und die abschließende Feedbackrunde zu moderieren.
Gesprächsrunde lieferte Einblicke in politische Entscheidungsprozesse
Am Ende der Veranstaltung zeigten sich sowohl die Jugendlichen als auch die Politikerinnen und Politiker sehr zufrieden. Die Parlamentarische Staatssekretärin Caren Marks wünschte sich, dass derartige Veranstaltungsformate Schule machen und häufiger stattfinden. Michael Guttmann, Leiter der Volkshochschule Hannover, bekräftigte in diesem Kontext, dass sein Haus für ein solches Dialogformat gern wieder zur Verfügung stehe.
Auch die jungen Diskutantinnen und Diskutanten zeigten großes Interesse, nochmals an solch einer Gesprächsrunde teilzunehmen. Schließlich wollen viele der Jugendlichen erfahren, welche politischen Ziele umgesetzt und warum für manche Vorhaben möglicherweise keine Mehrheiten beschafft werden konnten. Denn auch das haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Debatten erfahren: Demokratische Prozesse sind stets durch Kompromisse und den Respekt vor Mehrheiten gekennzeichnet. Im Umkehrschluss bedeutet dies eben auch, die eigenen politischen Interessen nicht immer durchsetzen zu können und Kontroversen aushalten zu müssen.
Das vom Deutschen Volkshochschul-Verband e. V. in Kooperation mit lokalen Volkshochschulen durchgeführte Sonderprojekt „(Un-)Politische Jugend?! Jugendliche fragen nach“ wird über den Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP) des BMFSFJ gefördert. Das Projekt hat modellhaften Charakter und kann von weiteren Volkshochschulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe übernommen werden.