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Deutscher Volkshochschul-Verband

vhs Ebersberg/Grafing: "Wünschen uns stärkeres Vetrauen"

Momentan steigen die Zahlen Schutzsuchender in den Erstaufnahmeeinrichtungen sowie Geflüchteter aus der Ukraine. Das Integrationskurssystem des Bundes ist am Ende seiner Ausbaukapazitäten. In unserer Serie #Warteschlange Integration lassen wir vhs zur aktuellen Lage im Integrationskursbereich zu Wort kommen.

Dr. Martina Eglauer, Leitung vhs Ebersberg/Grafing

Teil 7: vhs Ebersberg/Grafing

Das nächste Interview führt uns nach Bayern zur Volkshochschule Ebersberg/Grafing. Hier haben wir mit der vhs-Leitung Dr. Martina Eglauer und der Fachbereichsleitung Deutsch, Stefanie Horten, gesprochen.

Wie ist die aktuelle Lage im Integrationskursbereich bei Ihnen vor Ort?

Seit Beginn des Ukraine-Krieges ist die Nachfrage nach Integrationskursen sprunghaft angestiegen. Aktuell leben im Landkreis Ebersberg rund 25.000 Ausländer*innen bei einer Gesamtbevölkerung von rund 145.000 Personen. Dabei sind Menschen mit Migrationshintergrund, aber deutschem Pass, nicht berücksichtigt.

Als Hauptanbieter im Landkreis haben wir trotz gravierendem Lehrkräftemangel und großer Raumnot im Großraum München die Integrationskurse um 30 Prozent aufgestockt und bieten derzeit 22 Kursschienen an. Das bedeutet auch 30% mehr Einstufungs-, Beratungs-, Betreuungs- und Verwaltungsarbeit.

Wie hat sich die Auslastung der Kurse in den vergangenen Monaten verändert?

Während wir in der Corona- und Nach-Corona-Zeit durchschnittlich um die 12-15 Teilnehmende in unseren Kursen hatten, haben wir die Teilnehmerzahl jetzt auf 20-24 Personen erhöht.

Stefanie Horten, Fachbereichsleitung Deutsch, vhs Ebersberg/Grafing

Welche konkreten und unmittelbaren Maßnahmen würden zu einer Verbesserung der Situation beitragen?

Die größte Arbeitslast und auch Planungsunsicherheit entsteht durch die teilnehmerbezogene Vergütung der Kurse und die daraus entstehenden Dokumentations- und Meldeaufgaben der Anwesenheiten. Für unentschuldigt fehlende Teilnehmer*innen erhalten die Träger kein Geld. Gehen zum Beispiel Ukrainer*innen, die ja vollständig vom BAMF finanziert werden, mitten im Kursmodul in ihr Heimatland zurück, erhalten wir ab diesem Tag anteilig kein Geld mehr für die betreffende Person. Natürlich wird aber das volle Honorar für unsere Lehrkräfte fällig. 

Die Dokumentation ist nicht nur sehr aufwändig, sondern auch noch sehr papierlastig. Die Kommunikation läuft insgesamt vorwiegend postalisch oder über E-Mails, bei denen aber immer Datenschutzbestimmungen die Kommunikation erschweren. Ein gut funktionierendes Web-Portal − vergleichbar dem Web.Doc im Berufssprachkursbereich − wäre auch für den Integrationskursbereich wünschenswert.

Die Informationen zur sich kontinuierlich verändernden Organisation der Integrationskurse erhalten wir über Rundschreiben mit Anlagen (nur mit Ziffern benannt) sowie FAQs auf der Website des BAMF. Es ist sehr mühsam und zeitraubend, in dieser Struktur Informationen wiederzufinden. Ich würde mir einen einzigen, ständig aktuellen Leitfaden zur Organisation der Integrationskurse wünschen, in dem alle aktuellen Informationen enthalten und über eine Suchfunktion (oder vielleicht einen Chatbot) auffindbar sind. 

Insgesamt würde ich mir als Vertreterin eines gemeinnützigen zertifizierten Trägers, und insbesondere als Mitarbeiterin der Institution Volkshochschule wünschen, dass stärkeres Vertrauen an die Stelle kleinteiliger Verwaltungsmechanismen rückt. 

Damit wäre es mir als Fachbereichsleitung vielleicht auch wieder möglich, die Menschen und ihre Integration sowie die fachliche Betreuung meiner Lehrkräfte und meiner Mitarbeiter*innen sowie auch meine persönliche Weiterbildung in einer sich wandelnden Arbeitswelt stärker in den Vordergrund meiner Tätigkeit zu stellen. Derzeit arbeite ich hauptsächlich die vielen Verwaltungsaufgaben ab. 

Überdies bereitet uns der zunehmende Lehrkräftemangel große Sorgen. Fehlen Fachkräfte, kann das Angebote nicht mehr der Nachfrage entsprechen. Einfachere Zugangsbedingungen wären hier wünschenswert.

Warum sind die Integrationskurse (und ggf. Erstorientierungskurse) wichtig für Ihre Volkshochschule und welche Erfolgsgeschichten gibt es?

Einen Beitrag zur Integration zu leisten, gehört zum öffentlichen Auftrag der vhs und zum Selbstverständnis. Sprache ist der Schlüssel zur gesellschaftlichen und beruflichen Teilhabe. Wenn wir den Anspruch haben, „Bildung für alle“ anzubieten, gilt es, auch Angebote vorzuhalten, die Menschen die Sprache vermitteln, so dass sie hier in Deutschland souverän leben können. Deutschkenntnisse sind die Voraussetzung, um an weiterführenden Bildungsangeboten – über die Sprache hinaus – teilnehmen zu können.

Ein großer Moment ist es, wenn ich an den Prüfungstagen Teilnehmer*innen wiedersehe, die bei der Einstufung noch ‚mit Händen und Füßen‘ kommuniziert haben und die mir jetzt über ihre Erlebnisse, ihre Familie, ihre Arbeit erzählen können. Manchmal begegne ich Kursteilnehmenden auch an ihrem Arbeitsplatz, im Supermarkt, im Krankenhaus oder bei einer Veranstaltung. Dabei erlebe ich hautnah, dass Integration gelingen kann, und das wird mich immer motivieren. Und natürlich gibt es auch Teilnehmer*innen, die bei uns ihren sprachlichen Weg bis zu einem C1-Berufssprachkurs gehen und so Chancen auf eine gute berufliche Karriere haben. Das ist auch sehr bewegend.

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