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Deutscher Volkshochschul-Verband

29.11.2024

Neue Integrationskursverordnung benachteiligt ganze Gruppen

Zugewanderte im ländlichen Raum, Frauen und junge Menschen sind von neuen Sparmaßnahmen besonders betroffen 

In ländlichen Gegenden Deutschlands altert die Bevölkerung am schnellsten. Entsprechend groß ist der Arbeitskräftemangel und der Bedarf an Zuwanderung. Die am 27. November vom Bundeskabinett beschlossene Novelle der Integrationskursverordnung könnte jedoch dazu führen, dass ausgerechnet auf dem Land Zugewanderte die Teilnahme an einem Integrationskurs vorenthalten bleibt – und damit auch die Möglichkeit, sich auf den Einstieg in den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Denn in ländlichen Gebieten müssen Menschen oft lange Strecken zurücklegen, um den Kurs besuchen zu können. Bislang wurden ihnen die Fahrkosten vom Wohnort zum Kursanbieter bezahlt. Nach der neuen Integrationskursverordnung soll die Fahrkostenerstattung nunmehr wegfallen, weil die Bundesregierung die Mittel dafür nicht mehr aufbringen will. 
Eine weitere Maßnahme, um nach Lesart des Bundesinnenministeriums die „Wirtschaftlichkeit“ der Kurse zu steigern, ist die weitgehende Streichung der maximal 300 Zusatzstunden für Teilnehmer*innen, die das angestrebte Sprachniveau B1 bei einmaligen Kursbesuch nicht erreicht haben. Die Möglichkeit, Kursmodule zu wiederholen, soll künftig nur noch in bestimmten Kurstypen wie dem Alphabetisierungskurs gegeben sein. Der Staat spart also kurzfristig Geld, indem er Menschen, die langsamer lernen, praktisch vom Erwerb der für die Aufnahme einer Berufstätigkeit erforderlichen Mindestsprachkenntnisse ausschließt. Das nimmt den Betroffenen die Chance auf Integration in die Gesellschaft und schädigt Unternehmen, die auf jede verfügbare Arbeitskraft angewiesen sind.  

Gespart werden soll der Novelle zufolge auch bei Frauen mit Kindern, die Kurse mit Betreuungsangebot und einer reduzierten Stundenzahl pro Woche brauchen. Mit der Streichung der Frauenkurse wirkt das Innenministerium seinen eigenen Plänen vom vergangenen Jahr, den Spracherwerb von Frauen mit Kindern gezielt zu fördern, entgegen. Ebenso entfallen sollen die speziellen Integrationskurse für Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 28 Jahren, die auf die Bedürfnisse von Menschen dieser Altersgruppe zugeschnitten sind und ihnen so den Weg in eine Ausbildung ebnen.

Das Argument des Innenministeriums, mit der neuen Integrationsverordnung für mehr Effizienz im Gesamtprogramm Sprache sorgen zu wollen, hält DVV-Verbandsdirektorin Julia von Westerholt für vorgeschoben: „Tatsächlich geht es bei den geplanten Maßnahmen ausschließlich darum, Ausgaben zu reduzieren.“ Die Novelle widerspreche eklatant der gerade noch erklärten Absicht des Ministeriums, das Integrationskurssystem intakt zu halten. „Wir fordern das Bundesinnenministerium nachdrücklich auf, die Fahrtkostenerstattung und die Möglichkeit für Teilnehmer*innen zur Kurswiederholung zu erhalten“. Eine „von oben“ verordnete pauschale Streichung der Frauen- und Jugendintegrationskurse widerstrebe den jahrelangen Bemühungen, die Integrationskurse pädagogisch sinnvoll weiterzuentwickeln. Die Entscheidung, spezielle Kurse für Frauen mit Kindern oder junge Menschen anzubieten, muss laut von Westerholt den Trägern überlassen bleiben, denn sie kennen den Bedarf vor Ort.

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Bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hatte sich ein breites Bündnis aus Verbänden, kommunalen Spitzenverbänden und Fachwissenschaftler*innen gegen die geplante Änderung der Integrationskursverordnung gewandt. Der DVV kritisierte in seiner Stellungnahme ausdrücklich, dass die Änderungen in der Integrationskursverordnung "einzig dem Diktat von Einsparungen folgen, pädagogisch nicht sinnvoll sind und dem Gesamtprogramm Sprache schaden".

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