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Deutscher Volkshochschul-Verband

29.01.2025

Mensch nutzt KI – und nicht umgekehrt

Vhs setzen UNESCO-Maxime zur Handlungsfähigkeit im Zeitalter der Automatisierung um

Der Internationale Tag der Bildung der UNESCO am 24. Januar stand im Zeichen von KI und unter dem Motto „Preserving human agency in a world of automation”. Wir haben in zwei Volkshochschulen gefragt, was sie dafür tun. 

Dr. Marie Batzel, Leiterin der vhs Köln

Das Motto der UNESCO trifft für Dr. Marie Batzel den Kern der KI-Aktivitäten an der vhs: „Handlungsfähigkeit zu bewahren ist immer Ziel der Volkshochschulen. Wir denken neue Technologien vom Menschen her“. Dabei sieht die Leiterin der vhs Köln KI als „immense Chance“. Wichtig sei, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehöre unverzichtbar, dass Menschen KI nicht nur souverän nutzen, sondern auch ihre verschiedensten Verwendungsmöglichkeiten in deren gesellschaftlicher Tragweite beurteilen können. KI-Kurse an der Volkshochschule bezögen das immer ein. „Hier liegt der Unterschied zu kommerziellen Anbietern von KI-Bildung“, erklärt Marie Batzel. „Bei uns geht es um die Menschen, nicht um ein Produkt. Darum ist es sinnvoll, sich an der vhs mit KI vertraut zu machen.“ So sind die vhs-Kurse zur KI auch nie auf ein bestimmtes Tool fokussiert, sondern stets thematisch ausgerichtet.

Erfahrungen aus der ersten digitalen Revolution nutzen

Marie Batzel ist froh, dass die Volkshochschulen auf lange Erfahrung in der Vermittlung digitaler Technologien zurückblicken können. Seit Beginn der digitalen Revolution sorgen vhs dafür, dass möglichst viele mit der Entwicklung Schritt halten können, bieten ständig Einführungen in technologische Neuheiten an, erklären aber auch immer wieder grundlegend den Umgang mit Smartphone und Tablet. Das zahlt sich nun in einer Phase rasanten Fortschreitens der KI-Entwicklung aus: In den Volkshochschulen sitzen Personen, die wissen, wie sie den erforderlichen gesellschaftlichen Lernprozess gezielt fördern können, so, dass alle davon profitieren.

KI im Kontext für großen Teilnehmerkreis

Und tatsächlich kommen KI-Interessierte unterschiedlichsten Profils in die Kölner vhs. Die meisten haben schon einmal mit dem Chat-GPT Texte erstellt, manche kennen sich in der Bildbearbeitung aus. Viele brauchen KI, um ein kleines Unternehmen am Laufen zu halten. Andere wollen nach einer Pause wieder in den Beruf einsteigen oder befinden sich in einer Phase beruflicher Neuorientierung und wissen, dass KI-Kenntnisse längst an den meisten Arbeitsplätzen erforderlich sind. Wieder andere möchten KI in ihrem Verein nutzen.

Vor allem über Kooperationen und Projekte erreichen die KI-Angebote der vhs Köln auch Menschen mit Behinderung und Ältere. Mit gut verständlichen und eingängigen Werbetexten für ihre KI-Angebote erschließt die vhs immer neue Kundenkreise, bei deren gezielter Ansprache hilft – KI.  

Neben dem Interesse an neuen Tools bewegen die Teilnehmer*innen grundsätzliche Fragen: Wie kann ich KI-Produkte erkennen? Welche sind die Regeln für die Kennzeichnung des KI-Einsatzes, die ich bei meiner eigenen Arbeit beachten muss? Auch der Datenschutz und das dornige Problem der Klimaverträglichkeit von KI beschäftigen die Menschen, die an den KI-Kursen teilnehmen. Glücklicherweise nähmen viele im Rahmen eines Bildungsurlaubs an einem längeren Kurs teil, sagt vhs-Leiterin Marie Batzel. Das gibt den Dozent*innen und Teilnehmer*innen Zeit, die disruptive Technologie in ihren unterschiedlichen Dimensionen zu diskutieren.

Philipp Marquardt, Leiter der vhs Reutlingen

Avatare öffnen Zeitfenster

Der Faktor Zeit kommt Dr. Philipp Marquardt als Erstes in den Sinn, wenn er über das Verhältnis von KI und „human agency“ nachdenkt. Zeit sei schlicht das, was Menschen an vielen Arbeitsplätzen fehle, sagt der Leiter der vhs Reutlingen, zum Beispiel in Gesundheitsberufen und vor allem in der Pflege. KI könne enorm Zeit sparen und so die Voraussetzung für menschliches Engagement verbessern. An der vhs könne der KI-Einsatz den Pädagog*innen neue Zeitfenster für ihre Kernaufgaben öffnen. In Reutlingen geschehe das schon in absehbarer Zukunft, berichtet Philipp Marquardt: „In unserem digitalen Programm treten künftig Avatare unserer Fachbereichsleiter*innen auf und beantworten häufige praktische Fragen. So versprechen wir uns mehr Zeit für die eigentliche individuelle Beratung, die natürlich ein Mensch übernehmen muss.“ Und das Programmheft ist um eine kleine Attraktion reicher.

„Human agency“ sei im Übrigen auch genau das, was Menschen, die einen Volkshochschulkurs buchen, suchen, beobachtet der vhs-Leiter. Für die Teilnehmer*innen sind die Dozent*innen immer noch das wichtigste Kriterium dafür, ob sie einen Kurs weiterbesuchen oder wieder besuchen. Außerdem schätzen vhs-Teilnehmer*innen nach wie vor das Lernen in der Gruppe. Darum hat die Reutlinger vhs zum Beispiel Sprachkurse entwickelt, in denen jede*r individuell mit KI lernt, es aber auch weiterhin Gruppenunterricht gibt, vor allem für Konversation.

Gerade in Angeboten, die Menschen mit KI vertraut machen sollen, falle der menschliche Faktor enorm ins Gewicht, stellt Philipp Marquardt fest. Es sei unbedingt erforderlich, dass die Dozent*in die Technologie verständlich erkläre, denn nur so könnten Bildungsangebote zu einer Demokratisierung von KI beitragen.

Impulse für die berufliche Weiterbildung

Die Berufliche Weiterbildung an den Volkshochschulen müsse die Impulse, die von KI ausgehen, nutzen, fordert der vhs-Leiter. Die Vermittlung von KI-Kenntnissen an Belegschaften von Unternehmen sei herausfordernd, weil sie fachspezifisch ausgerichtet werden müsse. Zum Beispiel müssen Menschen, die in einer Anwaltskanzlei arbeiten, genau wissen, wie sie juristische Datenbanken effizient durchsuchen lassen können und was bei der Verarbeitung der Daten zu beachten ist. „Wir führen an der vhs Reutlingen mit einem Dozenten, der genau das kann, eine Fortbildung für Mitarbeiter*innen einer Anwaltskanzlei durch. Diese Fortbildung können wir nun allen interessierten Kanzleien anbieten“, berichtet Philipp Marquardt. Eine große Aufgabe für die Volkshochschulen sei allerdings auch die Vermittlung berufsrelevanter überfachlicher Kompetenzen. Dazu gehöre zum Beispiel, mit Hilfe von KI im Arbeitsalltag Sprachbarrieren zu überwinden. „Auch das kann bei uns gelernt werden.“

Entscheidend sind Kreativität und Kooperation

Genauso dringlich wie die Entwicklung attraktiver Angebote, die KI erklären und KI nutzen, sei die Weiterentwicklung der Volkshochschule als Organisation, sagt Philipp Marquardt.  Entscheidend dafür seien Kreativität und Kooperation. Wenn sich eine so große Institution wie die vhs mittels KI neu organisiere, entstehe auch ein kolossales Experimentierfeld, in dem ständig nach intelligenten Lösungen für die Optimierung von Prozessen gesucht werde. „Das müssen wir nutzen, denn wir können unsere Lösungen in übertragbare Strategien überführen, die zum Beispiel auch für Unternehmen und öffentliche Verwaltungen nützlich sind. Mit anderen Worten: Indem wir uns organisatorisch weiterentwickeln, können wir gleichzeitig innovative Produkte kreieren.“ Das gehe am besten gemeinsam. Mit ihrem 850 Städte und Gemeinden verbindenden Netz hätten die vhs allen anderen Bildungsanbietern viel voraus. „Daraus müssen wir einen Vorsprung bei der Nutzung von KI machen. Aber dafür müssen vhs bundesweit zusammenarbeiten.“

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Bildnachweise

  • vhs Köln
  • Frank Pieth